Fischer- und Gummiboote, dösende Rentner, johlende Kinder: Das Strandbad am Aeschisee ist auch im ersten Jahr unter den neuen Besitzern Anziehungspunkt für Gross und Klein, Jung und Alt – manche unterstützt die Naturkulisse seit sechs Jahrzehnten bei der Psychohygiene.
Samuel Misteli
Der Ruf eilt ihm voraus: «Sehr schön», sagt die Frau im Bus zu ihren Begleiterinnen, «ländlich-schön» sei er, der Aeschisee. Bei der Einfahrt in Aeschi reckt sie den Kopf, um ihren Freundinnen das ländlich-schöne Objekt zu präsentieren, dessen Existenz sich deren Kenntnis bislang entzogen hat. Der See bleibt den drei Damen verborgen, er hält sich versteckt hinter dem Gürtel aus Bäumen, der ihn seit jeher daran hindert, seine Reize allzu schamlos zur Schau zu stellen.
Dort wo der Gürtel durchtrennt ist, neigt sich die Rasenfläche des Strandbads zum Wasser. Hier angekommen, geizt der See nicht länger mit seinen Vorzügen - die dienstagmorgendliche Idylle ist unverstellt: Fischerboote schaukeln auf der silberglänzenden Wasserfläche.
Der Wind streicht träge durch die Kronen der Laubbäume, deren sattes Grün in das Dunkelgrün des Wassers übergeht. Er streicht über den makellosen Rasen des Strandbads, auf dem verstreut eine Handvoll Rentner in ihren Liegestühlen sitzt. Sie lesen oder dösen in den Tag hinein.
Ein dickes Kind steht unter der Dusche am Ufer, begibt sich dann ins Wasser und bewirft seine Spielkameradin mit Seegras. Ein Kind mit Schwimmflügeln, zu jung noch zum Lesen, ignoriert fröhlich das «NICHTSCHWIMMER HALT»-Schild und macht sich auf, das Oval des Sees zu erkunden. Eine Oase sei dieser Ort, wird Ursula Kohler aus Horriwil gegen Abend sagen. Eine Oase, die sich in den 27 Jahren, in denen sie regelmässig hierherkommt, kaum verändert habe.
Anfang Jahr hatten das Strandbad und das angrenzende Restaurant «Seeblick» den Besitzer gewechselt. Ein grosses Geschäft sei hier wohl nicht zu machen, hatte sich der neue Eigentümer vernehmen lassen. Aber kraft unternehmerischen Denkens und innovativer Ideen würden sich doch Möglichkeiten eröffnen.
Eine Innovation hat sich Margrit Baumeler einfallen lassen: Die neue Pächterin des «Seeblicks» hat auf der Terrasse einen Selbstbedienungsbereich eingerichtet. Sehr zufrieden, sagt Baumeler, sei sie mit dem bisherigen Saisonverlauf. «Die Rückmeldungen zeigen, dass das Konzept aufgeht.» Schönfärberei dürfte das nicht gewesen sein: Der Mann hinter der Selbstbedienungstheke jedenfalls schnauft kräftig; das Salatbuffet muss aufgefüllt werden und die Schweinssteaks sind auch soeben ausgegangen.
«Langsam chöme d Lüüt», sagt die Frau nebenan zu ihrem Gatten. Und sie kommen tatsächlich: Die freien Flächen werden spärlicher, rote, blaue, gelbe Badetücher verdrängen das Grün des Rasens. Die Fischerboote sind Gummibooten gewichen, die Enten auf dem Floss einer Horde johlender Kinder. Bei den Sprungbrettern wirbeln Arme und Beine durch die Luft. Vorbei ist es mit der Ruhe in der Oase. Die Rentner freilich lesen oder dösen weiterhin unverdrossen in ihren Liegestühlen.
15 Jahre ist es her, dass Catherine und Wolfgang Klein aus Burgdorf das letzte Mal am See waren. Sie finden: «Es ist noch immer so romantisch wie damals.» Der Subinger Willi Stalder kann das bestätigen, für ihn ist der Aeschisee so etwas wie sein zweites Wohnzimmer: Seit sechzig Jahren zieht es ihn gemeinsam mit seiner Frau an den Ort, den er sein «liebstes Naherholungsgebiet» und «etwas vom Schönsten» nennt. «Die Naturkulisse», sagt Stalder, «wirkt beruhigend auf die Psyche.» Das tut sie auch unter der neuen Führung, die, so Stalder, aus netten Leuten bestünde die viel böten.
Die neue Führung ist auch heute nett: «Liebe Badegäste», tönt es aus dem Lautsprecher, «weil heute wiederum ein schöner Tag ist, verlängern wir bis 21 Uhr.» Die Badegäste applaudieren. Nicht nur ein schöner Tag, sagt Lautsprecherstimme und Kassenmitarbeiterin Therese Nützi, auch ein guter Tag sei es gewesen heute. «Kein Spitzentag, aber ein guter Tag.»