Schiff
Ein Fluss im Wandel der Zeit

Die Stadt Solothurn hat nicht nur eine schöne Altstadt, sie hat auch einen Fluss, der das Leben der Bewohner während Jahrhunderten prägte. Was es in und um die Aare alles zu sehen gab und gibt, erfuhren Daheimgebliebene auf dem «Öufi»-Boot.

Drucken
Schiff

Schiff

Solothurner Zeitung

Katharina Arni

Trotz strömendem Regen hat sich ein stattliches Grüppchen von Neugierigen bei der «Landi»-Anlegestelle des «Öufi»-Boots eingefunden, um Solothurn einmal von einer anderen Seite kennen zu lernen. Die meisten wissen, dass «ihre» Aare nicht bloss ein Fluss ist, der die mehrere Stadt von der minderen trennt, sondern einst auch ein wichtiger Verkehrsweg war, auf dem Güter nach Solothurn gebracht wurden.

Ein wichtiger Lebensraum

Während die MS Pisoni von Fredy Fankhauser langsam aareaufwärts fährt, wird bald klar, dass die Aare immer auch ein wichtiger Lebensraum für Tiere und Pflanzen war. Stadtführer Peter Wagners Finger zeigen auf einen Biberbau, der unter einem überhängen-den Baum kaum sichtbar ist. «Nebst Stockenten, Schwänen, Blässhühnern, Lachmöwen und Graureihern hat sich seit einiger Zeit auch der Biber an den Aareufern niedergelassen», verweist er auf die vielen Wasservögel und Säuge-tiere, die zur Artenvielfalt im Lebens-raum «Aare» beitragen.

Damit wird auch die Renaturierung ein Thema. «Die Befestigung mittels Blockwurf, die vor vierzig Jahren über alles gelobt wurde, führte dazu, dass die Aare zu einem Kanal mit eintöniger Uferbewachsung verkam», sagt Wagner. Statt Steinblöcken sollen deshalb in Zukunft wieder kleine Buchten mit stehendem Wasser und Auenwäldern die Ufer verschönern - zur Freude der Bootsgäste, die versuchen, zwischen den Wassertropfen an den Bootsscheiben einen Blick auf die bereits entstandenen Buchten oberhalb des Campingplatzes zu erhaschen.

Ein bisschen wieter oben wendet Kapitän Fankhauser, der mit Region Solo-thurn Tourismus eine prosperierende Allianz eingegangen ist, sein Boot, um dem Wasserlauf folgend in die Stadt zurückzufahren. Wagner erzählt von einem transhelvetischen Kanal, der während rund 350 Jahren «in den Köp-fen der Menschen herumgeisterte». Für diese Wasserstrasse wollte man die Aare von der Mündung in den Rhein bis in die Juraseen ausbaggern, verbreitern und begradigen. Zum Glück haben Umweltschützer das Projekt «gebodigt», und an die hochfliegenden Pläne erinnert heute nur noch der «Canal d'Entreroches» zwischen Yverdon und dem Genfersee.

Als die Aare eine Kloake war

In der Ferne grüsst die neue Weststadtbrücke. Zeit für Peter Wagner, das Gespräch auf Solothurns Brücken zu lenken. Der ersten bei der heutigen Wengibrücke verdankt Solothurn seine Entstehung. Sie wurde von den Rö-mern erbaut und liegt an der engsten Stelle des Flusses. Ein Albtraum für viele ist noch heute die im Autowahn der Siebzigerjahre geplante Äussere, Mittlere und Innere Westtangente, der das Alte Spital zum Opfer gefallen wäre. Angesichts dieses Grössenwahnsinns mutet das Bild der weintransportierenden Schiffsleute geradezu idyllisch an. Für sie war angesichts der noch schlechten Strassen und mangelhaften Fahrzeugtechnik der Fluss der bequemste Weg, um vom Welschland nach Solothurn zu gelangen.

Von Renaturierung ist in der Stadt selbst wenig zu spüren. Um den Bedrohungen durch Hochwasser und Eisschollen zu begegnen, haben die Solothurner aus unterschiedlichen Steinquadern an beiden Aareufern hohe Ufermauern errichtet. Auch Badefreu-digkeit kam anno dazumal kaum auf. Mit dem Wachstum der Stadt floss immer mehr Abwasser in den Fluss und liess ihn zur Kloake verkommen. Ein übler Gewässerverschmutzer war auch das städtische Schlachthaus. «An einem Schlachttag flossen bis zu 500 Liter Blut und andere Schlachtabfälle in die Aare - zur Freude der Fische», weiss Peter Wagner. Dank der Umnutzung des Schlachthauses und der Errichtung von Kläranlagen ist die Aare heute schön und klar, bietet aber nur noch wenigen Fischen Nahrung an.

«Während früher nur Fischer, Ponto-niere und Ruderer die Aare nutzten, ist diese in den letzten 20 Jahren zu einem beliebten Freizeit- und Erholungsraum geworden, und zahllose Gasthäuser und Bars sind der Aare entlang wie Pilze aus dem Boden geschossen», entlässt Peter Wagner bei der Rötibrücke die zufriedenen Bootsgäste. Eine zweite Stadtführung auf dem «Öufi»-Boot gibt es am Mittwoch, 22. Juli, 18.45 Uhr, unter der Führung von Max Wild, der auch den Text zu den Bootsführungen ausgearbeitet hat.