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Wenn am Samstag für die Schiffe die Sommersaison beginnt, sind fast alle Dampfer zurück auf dem Vierwaldstättersee. Wir blicken zurück auf eine Zeit, als die Dampfschiffe noch mit Holz befeuert wurden und sich langsam zu Touristenmagneten entwickelten.
Das älteste, noch erhaltene Dampfschiff (DS) der Schweiz ist die «Rigi». Sie befindet sich heute im Verkehrshaus der Schweiz. Die Bauteile des Schiffs trafen Ende Januar 1848 aus England auf Bestellung der «Post-Dampfschifffahrtsgesellschaft» in Luzern ein. Die Aufgabe der «Rigi» war in dieser ersten Phase der Schweizer Dampfschifffahrt vor allem der Warentransport auf der Gotthardachse. Die Bauart der «Rigi» war deshalb auch klar für den Güterverkehr ausgelegt und die Feuerung erfolgte mit Holz – nicht Kohle.
Die Schweizerische Centralbahn eröffnete 1856 ihre Strecke von Olten nach Emmenbrücke und gab zwei Dampfschiffe bei der Zürcher Schiffbaufirma Escher-Wyss in Auftrag. Doch die bisherigen Betreiber der Dampfschifffahrt auf dem Vierwaldstättersee wollten die neue Konkurrenz nicht. Am 28. Januar 1859 kam deshalb ein Vertrag über eine zwölfjährige Pacht der beiden Schiffe «Stadt Basel» und «Stadt Mailand» zustande. Zehn Jahre später gingen beide Schiffe in den Besitz der beiden Pächter über. Die Presse rühmte das neue Schiff «Stadt Basel», vor allem die Kajüte erster Klasse sei «mit grosser Eleganz» ausgestattet.
Zum ersten Mal wurden Ende der 1860er-Jahre Schiffe speziell für Touristen gebaut, die vermehrt nach Luzern pilgerten. So auch die «Germania» und die «Italia», die 1871 von der Zürcher Firma Escher-Wyss bestellt und später auf einem Bauplatz mitten im Dorf Vitznau erstellt wurden.
Die Schiffe – so auch die «Rigi» – wurden weiss gestrichen und erhielten Salons. Mit einer Kapazität von 750 Personen waren sie viel grösser als die «Rigi», die bloss über eine Kapazität von 200 Passagieren verfügte. Der ehemalige Konservator des Verkehrshauses der Schweiz, Eduard Saluz, verglich die «Rigi» in einem Text mit den anderen Dampfschiffen der Flotte:
Die ‹Rigi› ist unter diesen Schiffen ein rechtes Mauerblümchen.
Nach jahrelangem und teilweise ruinösem Konkurrenzkampf schlossen sich auf den 1. Januar 1870 die «Post-Dampfschifffahrtsgesellschaft» und die «Dampfschifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees» zur «Vereinigten Dampfschifffahrts-Gesellschaft des Vierwaldstättersees» (VDGV) zusammen. Diese Gesellschaft gilt als Vorläuferin der heutigen Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SGV AG).
Als erstes Schiff dieser neuen Gesellschaft lief am 22. Mai 1870 die «Helvetia» vom Stapel, die Jungfernfahrt fand am 20. August 1870 statt. Sie konnte 500 Personen und zehn Mann Besatzung befördern.
Bereits 1875 geriet das Dampfschiff Helvetia in die Schlagzeilen: Am 11. Januar lief es nachts und bei Nebel beim Meggenhorn auf Grund. Die 60 Personen an Bord konnten glücklicherweise durch den Schraubendampfer «Schwan» gerettet werden. An der «Helvetia» entstand fast kein Schaden.
Die «Helvetia» fuhr während der Weltwirtschaftskrise sowie dem Zweiten Weltkrieg sehr oft. Mit der Inbetriebnahme des Motorschiffes Waldstätter im Jahr 1949 sanken die Einsätze der «Helvetia» jedoch markant. Die «Helvetia» wurde bald nur noch bei Ausfällen anderer Schiffe eingesetzt.
Am 5. Juni 1959 führte die «Helvetia» ihre letzte Fahrt aus und wurde Ende 1959 nach einer Fahrleistung von mehr als zwei Millionen Kilometern aus der Flottenliste gestrichen.
Neben der Bestellung neuer Schiffe wie der «Helvetia», kaufte die neue DGV auch Schiffe auf. So beispielsweise 1909 für 25'000 Franken das Dampfschiff «Rhein» von der Konkurs gegangenen britischen «Themse Dampfschiffgesellschaft». 1911 lief das Schiff zu seiner Jungfernfahrt aus und wurde meist im Güterverkehr eingesetzt.
Später wurden grosse Teile der «Rhein» für den Bau des ersten grossen Motorschiffs des Vierwaldstättersees, der «Waldstätter» (1949-1995) verwendet.
1887 bestellte die Dampfschiff-Gesellschaft des Vierwaldstättersees (DGV) bei den Gebrüdern Sulzer in Winterthur ein Dampfschiff mittlerer Grösse. Mitte Februar 1889 nahm das Schiff als «Gotthard» den Betrieb auf.
Am 1. August 1965 lief die «Gotthard» zu ihren letzten Fahrten aus und hatte seit 1889 unglaubliche 2'357’338 Kilometer auf dem Vierwaldstättersee zurückgelegt.
Das DS «Winkelried» in den 1950er Jahren bei der Station Kastanienbaum.
1893 wurde wiederum bei den Gebrüdern Sulzer in Winterthur ein neues Dampfschiff in Auftrag gegeben. Der neue Dampfer sollte im Winter die Hauptkurse nach Flüelen und im Sommer die Kurse nach Alpnachstad und Küssnacht ausführen. Wegen verspäteter Materiallieferungen konnte der neue Raddampfer erst am 29. Juni 1895 zu seiner Jungfernfahrt auslaufen. Das «Pilatus» genannte Schiff hatte eine Tragkraft von 550 Personen, eine Länge von 51,5 Meter und eine Breite von 11,4 Metern.
1913 wurde das Salon-Seitenrad-Dampfschiff «Gallia» erbaut. Der schnellste Raddampfer auf europäischen Binnenseen fährt auch heute noch auf dem Vierwaldstättersee. Sein «Gallia»-Stübchen, welches im Stil der Renaissance gebaut ist, befindet sich im Originalzustand. Ein weiteres unverkennbares Merkmal ist der elegant geschwungene Treppenaufgang zum Oberdeck.
Während den beiden Weltkriegen wurde das Schiff selten eingesetzt, was zu Standschäden führte, welche jedoch behoben werden konnten, schreibt der Verein Dampferfreunde Vierwaldstättersee auf seiner Webseite.
Das Dampfschiff «Wilhelm Tell» war von 1908 bis 1970 auf dem See unterwegs. Nur wenige Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges war die «Wilhelm Tell» mit Touristen auf Tanzfahrten auf dem Vierwaldstättersee als «Luxusdampfer» unterwegs.
Grosses Glück hatten Schiff und Passagiere am 8. August 1964. Eine Flutwelle, ausgelöst durch einen Felssturz am Bürgenstock, erreichte das Dampfschiff kurz vor dem Anlegen an der Station Hertenstein. Ein Aufschlagen an Land konnte durch die Besatzung verhindert werden.
Nach verschiedenen Kinderkrankheiten begann am 12. März 1913 der kursmässige Einsatz des «ersten Personen-Dieselmotorschiffes der Schweiz». In den Jahren 1918 bis 1923 stand das Schiff vorwiegend auf der Küssnachter Route und im unteren Seebecken im Einsatz. Wegen seiner zu knappen Geschwindigkeit waren seine Einsatzmöglichkeiten immer wieder Stein des Anstosses. So ist in einem alten Protokoll zu lesen «... das Boot macht dauernd Verspätungen da der Motor nicht mehr voll forciert werden kann...». Das Schiff stand bloss 12 Jahre im Fahrdienst und totalisierte dabei magere 138'108 Kilometer. Das seit vielen Jahren nicht mehr eingesetzte Schiff wird 1942 ausrangiert.
1959 erhielt der Vierwaldstättersee ein neues Motorschiff, die «Schwyz».
1951 erfolgte die Jungfernfahrt des Motorschiffs «Titlis», das 400 Personen befördern konnte und eine Höchstgeschwindigkeit von 25 Stundenkilometern erreichte. Das Bild zeigt die «Titlis» vor ihrer Jungfernfahrt am Quai von Luzern.
Das MS «Winkelried» auf der Jungfernfahrt im Jahr 1963.
Das neue MS «Pilatus» 1966.
Weitere Bilder von Dampfschiffen auf dem Vierwaldstättersee sind hier auf dem Stadtportal zu finden.
Einen grossen Dank an Kurt Hunziker für die Bilder aus seinem Archiv und die grosse Recherche zu den Bildern. Vielen Dank auch an Emanuel Ammon und die Agentur Aura für die schönen Bilder. Weitere Infos zur Foto-Agentur finden Sie hier.
Verstauben Ihre alten Familienfotos auf dem Estrich? Haben Sie Bilder von Ereignissen von früheren Generationen? Dann laden Sie Ihre schönsten Archivbilder – bevorzugt in guter Auflösung – unter folgendem Link hoch: Leserbild-Upload.
Quelle: Youtube/ Dampferfreunde Vierwaldstättersee
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Quellenverzeichnis: Saluz, Eduard: Der Raddampfer Rigi 1848-1952, in: Ferrum: Nachrichten aus der Eisenbibliothek, Stiftung der Georg Fischer AG (Hsg.), Zürich, 1990, S. 59-66.
Informationen zu den Bildern von Kurt Hunziker stammen von ihm.
Mehr zur Geschichte des Dampfers «Rigi»: Geschichte DS Rigi.pdf