Es war Katja Knobels Idee: Die Illustratorin wollte mit Menschen mit einer Behinderung ein Kinderbilderbuch gestalten. Kathrin Gasser, Leiterin des Malateliers in der «Rodania», gefiel die Idee. So entstand «Froschkönig», ein eigenwilliges Kinderbilderbuch mit viel Charme – auf den zweiten Blick.
Brigit Leuenberger
«In alten Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat, lebten ein König und ein Königin. Sie hatten wunderschöne Töchter.» So beginnt das Grimm-Märchen vom Froschkönig. Jessica Castelli, Sascha Dubois, Brigitte Fellmann, Bruno Grossenbacher, Christoph Hug und Eveline Scholl kennen dieses Märchen besonders gut. Sie alle sind Menschen mit einer Behinderung und besuchen regelmässig das Malatelier von Kathrin Gasser in der «Rodania».
Im letzten Herbst haben sie sich intensiv mit dem Froschkönig auseinander gesetzt. In sieben halbtägigen Workshops haben sie sich den Frosch genaustens angeschaut, sich seine Farbe und Form eingeprägt und versucht, ihn aufs Papier zu bringen. Manchen gelang dies besser, anderen weniger gut. Doch es brauchte nicht nur einen grünen Frosch, um das Märchen zu illustrieren. Es brauchte auch eine Königstochter, eine goldene Kugel und vieles mehr.
Kalter, garstiger Frosch
«Wir haben mit den Workshop-Teilnehmenden auch über die Gefühle der Prinzessin gesprochen und versucht, diese darzustellen und zu malen», erzählt Kathrin Gasser. Für den Froschkönig haben sie und Katja Knobel sich entschieden, weil die Handlung der Geschichte einfach ist und die intensiven Gefühle der Königstochter leicht nachvollziehbar werden.
Kathrin Gasser hat sich auch mit der psychologischen Bedeutung von Märchen befasst und weiss: «Beim Froschkönig geht es um das Erwachsenwerden. Die Prinzessin kommt aus einer heilen Welt und muss diese aufgeben, damit sie eine Frau werden kann. Der Prinz in Form eines kalten, garstigen Frosches ist ihr mehr als unangenehm. Doch schliesslich findet sie den Zugang zu ihm und so auch zur Erwachsenenwelt.»
Spontan und unverfälscht
Die Workshop-Teilnehmenden gingen mit Feuereifer ans Werk. «Das Malen machte ihnen Freude und auf ihre Resultate waren sie enorm stolz», sagt Katja Knobel. Gerade dies sei es, was ihr so an der Arbeit mit Menschen mit einer Behinderung gefalle. «Ihre Zeichnungen sind spontan und unverfälscht. Das ist es, was wir nie mehr hinbekommen, wenn wir das Kindesalter hinter uns lassen.» Entstanden ist ein ganzer Berg an eigenwilligen Werken - gegenständlichen und abstrakten, Aquarellbilder und Zeichnungen.
Katja Knobel hat die Bilder sortiert, eingescannt und am Computer Collagen und eine klare Bildabfolge gestaltet. «Ich hatte eine grosse Auswahl und konnte aus dem Vollen schöpfen», erzählt sie. Die Arbeit habe ihr viel Spass gemacht. Das fertige Produkt ist eine eigenwillige Kreation. «Die Bildsprache ist sicher gewöhnungsbedürftig. Jedoch können auch Dinge, die auf den ersten Blick vielleicht nicht unseren Erwartungen entsprechen, einen wertvollen und unverwechselbaren Charme haben», ist die Illustratorin überzeugt. Sowie beispielsweise das weisse Pferd mit den vier Augen, der igelartigen Mähne und den Räderfüssen, das den Prinz und die Prinzessin zum Schloss bringt, damit sie dort glücklich und zufrieden leben können bis ans Ende ihrer Tage.
«Froschkönig» kann bei der «Rodania» oder bei der Buchhandlung Lüthi in Grenchen für Fr. 33 erworben werden.