Das Emmental hat zwar weit mehr zu bieten als nur Käse und grüne Hügel. Dennoch dreht sich in der folgenden Geschichte alles um einen 100 Kilogramm schweren Namensvetter des beschaulichen Tales. Auf der Käsestrasse von Affoltern bis Madiswil haben wir uns auf Spurensuche nach dem Emmentaler begeben.
Von Simon Keller / Marisa Cordeiro
Der Frühling ist da und die Lust auf kleine Ausflüge in die Umgebung steigt. Weshalb nicht einmal eine spritzige «Tour de Frommage» quer durchs beschauliche Emmental? Auf rund 800 Metern über Meer nimmt sie nämlich ihren Anfang. Dort kommt der Käse quasi ins Rollen. Die moderne und auf viele Besucherinnen und Besucher zugeschnittene Infrastruktur der Schaukäserei Affoltern ist der ideale Ausgangspunkt für eine spannende
Reise auf den Spuren des Emmentaler Käses. In kurzer Zeit und auf engem Raum kann man sich dort in die Kunst des Käsens einweihen lassen - dann ist man gut gerüstet, um die Tour auf der Käsestrasse anzutreten.
Am nördlichsten Zipfel der Käsestrassse treffen wir in Wyssbach (Madiswil) auf die Familie Blaser und ihren Betrieb. Es ist zehn Uhr und ein Tanklaster pumpt gerade das ab, was von der Emmentalerproduktion jeweils übrig bleibt: die Schotte. Sie wird schliesslich in Bulle FR entwässert und diversen Mastbetrieben als Futter verkauft.
Sich selber im Käsen versuchen
Nur ab und an würden Leute auf dem Weg der Käsestrasse zu ihnen stossen, sagt Erika Blaser. Kein Wunder, meint sie, denn die Käsestrasse müsse erst noch bekannt werden. Eine Gruppe von Exoten habe sich jedenfalls noch nie zu ihnen verirrt.
Viele der Besucher, meist Schweizer, die im Internet auf die Route stossen, seien erstaunt darüber, wie viel Milch es für einen rund 100 Kilo schweren Emmentaler-Laib braucht: 1200 Liter. «Dieses Verhältnis und die Pflege des Käse beeindruckt die Leute am meisten», sagt Blaser.
Ihr Familienbetrieb produziert an 365 Tagen im Jahr - neben zwei Hausspezialitäten - ausschliesslich Emmentaler, insgesamt bis zu 1100 Laibe pro Jahr. Elf landwirtschaftliche Betriebe liefern zweimal täglich frische Milch, die sogleich weiterverarbeitet wird.
Wer Blasers besucht, kann sich gleich selber im Käsen versuchen. Zuerst wird die Milch erhitzt und Bakterienkulturen beigerührt. So entsteht ein Käseteig, der einen Tag lang gepresst wird und dann zwei Tage lang im Salzbad verbringt. Danach lagert der Käse sechs bis sieben Wochen bei 20 bis 22 Grad. Dies fördert den Gärprozess, wobei der Emmentaler unter anderem sein charakteristisches Aussehen entwickelt.
Es folgt die Lagerung bei 10 bis 12 Grad. Dabei muss der Käse mehrmals gewendet und geputzt werden. Nach drei Monaten schliesslich verlässt er die Produktion und nochmals einen Monat später den Ladentisch. Blaser sagt, das Selberkäsen sei nicht die einzige Attraktion auf ihrem Betrieb. Von der beschaulichen und ursprünglichen Idylle seien viele angetan, doch die moderne Realität habe sie trotz der Abgeschiedenheit längst erreicht. «Unsere Produktionsstätte muss sämtliche Verordnungen genauso erfüllen, wie dies ein industrieller Betrieb auch tun muss.»
Italiener wollen grössere Löcher
Nach einem angeregten Gespräch über das Image des guten alten Emmentalers - er ist ein traditionelles Aushängeschild der Schweiz - verlassen wir diesen Nabel der Käsewelt und machen einen Abstecher Richtung Westen, zurück in die Zivilisation. In Koppigen produziert auch der Betrieb von Rudolf Beutler gut 1000 Laibe Emmentaler pro Jahr. «Doch das ist nicht unser Hauptgeschäft», sagt er. «Zwar stellen wir den Emmentaler mit Herzblut her, doch ist er nicht der einzige, wohl aber unser traditionellster Produktionszweig.»
In Beutlers Augen ist die Käsestrasse eine gute Plattform, den eigenen Betrieb sowie das ganze Emmental zu vermarkten. «Wir haben zahlreiche auswärtige Stammkunden», weiss Beutler. Da habe die Käsestrasse sicher das Ihrige dazu beigetragen. Für einen guten Emmentaler brauche es frische, keimarme Milch, gute Kulturen, ideale Temperaturen und das richtige Zeitgefühl, sagt Beutler.
Ein guter Emmentaler habe in der Regel schöne, runde und zweifränkler-grosse Löcher. Doch dieses Empfinden sei eine Geschmackssache, sagt Beutler und fügt an: «Unsere italienischen Kunden beispielsweise haben lieber viel grössere Löcher und viel dickere Laibe als die Schweizer Norm.»
Und damit dürften Käseliebhaber, die sich bereits auf die Spuren des Emmentalers begeben haben, künftig mit dem Traditionskäse nicht mehr nur seine grossen Löcher verbinden, sondern sich vor allem auch an etliche Aha-Erlebnisse erinnern.