Die vier grossen Aargauer Flüsse werden durch 28 Kraftwerke gestaut. Doch wegen wenig Wasser laufen sie derzeit nur auf Sparflamme. Die Produktion von Strom sank auf 4904 Gigawattstunden oder 94 Prozent.
Hans Lüthi
In den ersten Wochen des neuen Jahres geht es unverändert weiter wie im ganzen Jahr 2009: Rhein, Aare, Limmat und Reuss haben zu wenig Wasser. Einen Seitenarm der Aare könnte man derzeit bei Lauffohr zu Fuss überqueren.
Der optische Eindruck wird durch die Zahlen bestätigt, «aber von einer Trendwende kann man nicht sprechen», sagt Pierre-Yves Christen, Leiter der Gewässernutzung im Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU). Denn: In den beiden Vorjahren ergab die Bilanz rund 102 Prozent des Mittelwerts, doch 2009 fällt mager aus. Die Aare brachte es nur auf 87 Prozent, die Limmat auf 91, der Rhein auf 92 und die Reuss auf 93 Prozent.
Massiv weniger Wasserstrom
In den grossen Aargauer Flüssen ging die Stromerzeugung auf 4904 Gigawattstunden (GWh) zurück, um 300 GWh oder um 300 Millionen Kilowattstunden (kWh). Gemessen an der Produktion stehen die Rheinkraftwerke zwangsläufig an der Spitze, Ryburg-Schwoerstadt mit 735 Millionen kWh, Laufenburg mit 631 Millionen kWh und Albbruck-Dogern mit 539 Millionen kWh. An der Aare produzieren die Kraftwerke Olten-Gösgen, Wildegg-Brugg, Klingnau und Rupperswil-Auenstein am meisten des beliebten Wasserstroms. Das Kraftwerk Rüchlig in Aarau erreichte seine übliche Produktion, nachdem es wegen des Hochwassers erneuert werden musste.
Vorteile für die Kleinsten
Wenig Wasserführung bedeutet an den grossen Flüssen immer eine geringe Stromproduktion. Bei den kleinsten Kraftwerken an Limmat und Reuss zählt diese Regel nicht, weil sie vom erhöhten Gefälle profitieren können. Darum kamen die Kraftwerke Öderlin auf 133 und Stroppel und Gebenstorf an der Limmat auf 131 Prozent des langjährigen Mittels. Gemessen an den grössten Stromproduzenten im Kanton sind sie zwar kleine Fische, aber einige Millionen Kilowattstunden speisen auch sie jedes Jahr ins Netz. Spitzenreiter an der Limmat ist das Kraftwerk Wettingen der Stadt Zürich, das dank dem gigantischen Gefälle von 21 bis 23 Metern mehr Strom macht als alle anderen an der Limmat im Kanton zusammen. Letztes Jahr waren es 135 Millionen Kilowattstunden.
Folgen des Hochwassers mildern
Seit den letzten grossen Hochwassern mit Rekordständen an der Reuss im August 2005 und an der Aare im August 2007 sind keine derart gravierenden Extremereignisse mehr aufgetreten. Die Schadensummen im zweistelligen Millionenbereich führten jedoch zu Massnahmen des Hochwasserschutzes in den am schlimmsten betroffenen Gemeinden.
An der Reuss in Unterwindisch ist die neue und leicht erhöhte Ufermauer im letzten Frühjahr - nach längeren Verzögerungen - endlich eingeweiht worden. Im Ernstfall kann die Schutzwand mit mobilen Dammbalken um 75 Zentimeter erhöht werden. Damit sollten sich die grossen Verwüstungen im Areal der ehemaligen Spinnerei Kunz nicht mehr wiederholen können.
In Döttingen bis im Herbst
Die Uferböschung an der Aare in Döttingen und Kleindöttingen ist schon im Herbst und Winter abgeholzt worden. Auf der linken Seite des Flusses ist der Damm zwischen Fischerhütte und Aarebrücke bereits um rund einen Meter erhöht worden. «In Döttingen haben die Arbeiten beim Schwimmbad ebenfalls begonnen», versichert Pierre-Yves Christen. Gemäss der Planung soll der neue Hochwasserschutz bis im Herbst dieses Jahres abgeschlossen sein.
Falls es schon im Frühling zu prekären Situationen kommen sollte, hat Döttingen ein mobiles Schlauchsystem angeschafft, das vor Ort mit Wasser gefüllt werden kann und sich andernorts schon mehrfach bewährt hat. Klassische Hochwassermonate sind Mai und August, die grössten Abflussmengen im Rhein sind jeweils im Mai 1994 und 1999 aufgetreten. Im Frühjahr ist es jeweils kritisch, wenn sich die Schneeschmelze mit einem Genua-Tief kumuliert, das tagelang intensiven Landregen bringen kann.
Immer extremere Schwankungen
Auffallend ist die Häufung von Jahrhunderthochwassern in den letzten 16 Jahren. Obwohl die Reusstalsanierung auf ein 10000-jährliches Hochwasser ausgelegt wurde, sind die Dämme 2005 noch um 25 Zentimeter überflutet worden. Die Klimaforscher rechnen mit vermehrten Extrem-Niederschlägen - aber wann das nächste Hochwasser die Aargauer trifft, steht in den Wolken.