Nach dem Unfall im Berner Bärenpark halten die Verantwortlichen «zurzeit» am Sicherheitskonzept fest.
Der junge Mann, der am Samstag in den Berner Bärenpark eingedrungen ist, ist nicht lebensgefährlich verletzt. Der Bär hingegen schon. Sicherheitsdirektor Reto Nause verteidigt die «neusten Sicherheitsstandards », wartet aber die polizeilichen Ermittlungen ab.
Barbara Spycher
Erst einen Monat ist es her, dass der Berner Bärenpark mit grosser Medienpräsenz eröffnet wurde. Gestern traten Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause und Bärenpark-Direktor Bernd Schildger erneut vor die Medien. Doch diesmal war der Anlass ein tragischer Vorfall, der sich am Samstagnachmittag vor den Augen von Hunderten von Zuschauern ereignet hatte. Ein 25-jähriger, geistig behinderter Mann gelangte ins Gehege, Bär Finn griff ihn an und liess erst von ihm ab, als ein Polizist auf den Bären schoss.
Der Mann wurde ins Spital gebracht, der Bär im Bärenpark behandelt. Gestern überbrachte Reto Nause die gute Nachricht: Der Mann, der an Kopf, Oberschenkel und einer Hand verletzt wurde, schwebe «Gott sei Dank» nicht in Lebensgefahr. Er konnte aber noch nicht vernommen werden. Der Mann sei geistig behindert. Die schlechte Nachricht überbrachte Bernd Schildger: «Bär Finn ist schwer verletzt.» Pause. Der Tierparkdirektor senkte seinen Kopf. Sichtlich bewegt fuhr er mit belegter Stimme fort: «Wir können nicht sagen, ob er überleben wird.» Der Schuss des Polizisten habe den Bär an der rechten Brust getroffen.
Der Mann rannte auf Finn zu
Und so war es dazu gekommen: Kurz vor 16 Uhr klettert der Mann über das 1,30 Meter hohe Geländer und einen Graben auf eine Mauer. Dort bleibt er «eine Weile» niedergekauert. Ob der Mann die 4 Meter ins Gehege hinunterspringt oder hinunterfällt, zeigen die Bilder der Überwachungskameras nicht. Danach rennt er auf Finn zu, dieser reagiert, wie ein Bär reagiert: Er attackiert.
Besucher des Bärenparks versuchen vergebens, den Bären mit diversen Wurfgegenständen abzulenken. Sieben Minuten nach dem ersten Angriff schiesst ein Polizist, der von einem Securitas-Wächter alarmiert worden ist, auf den Bären. Der getroffene Bär zieht sich in seine Höhle zurück. Für Reto Nause haben die Beteiligten «ausgezeichnet und gemäss Sicherheitskonzept» reagiert. Auch Schildger attestiert dem Polizisten, dieser habe «eine schwere, aber richtige Entscheidung getroffen». Stattdessen mit einem Narkosegewehr zu schiessen, wäre «keine Alternative» gewesen: Bis die Narkose wirke, dauere es vier bis zehn Minuten - zu lange.
«Gefühl für Gefahren verloren»
Der Vorfall wirft die Frage nach zusätzlichen Sicherheitsmassnahmen auf. Nause sagte dazu: «Zurzeit ist nicht geplant, das Sicherheitsdispositiv anzupassen.» Der Bärenpark sei nach neusten Standards konzipiert. Sollten die laufenden, polizeilichen Ermittlungen aber diesbezüglich Fragen aufwerfen, werde das Sicherheitskonzept «selbstverständlich » analysiert. Nause betonte aber: «Einfach so fällt niemand in den Bärenpark, man muss aktiv hineinsteigen. » Dagegen gebe es «keinen absoluten Schutz». 3 Meter hohe Zäune seien «keine Option». Das Geländer beim Bärenpark ist mindestens 1,30 Meter hoch, beim alten Bärengraben waren es 1,10 Meter gewesen, die Beratungsstelle für Unfallverhütung empfiehlt 1,15 Meter. Auch für Bernd Schildger ist klar: «Den Menschen hat das Gefühl verlassen für Realitäten und Gefahren.» Der einzige «absolute Schutz» wäre, keine Wildtiere mehr zu halten.
Wenn jemand unbedingt wolle, könne er in jedes Gehege in jedem Zoo der Welt eindringen. Dieses Jahr passierte das im Bärengehege des Tierparks Langenberg ZH und im Eisbärengehege im Berliner Zoo. Auch im alten Bärengraben in Bern gelangte fünfmal jemand hinein,