Mütterzentrum
Das Mütterzentrum ist nicht mehr

Im Frühling hätte das Mütterzentrum seinen 20. Geburtstag feiern können – doch es kam anders. An einer ausserordentlichen Mitgliederversammlung gab Präsidentin Franca Giani die Auflösung des Vereins bekannt. Grund: fehlende finanzielle Mittel.

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Mütterzentrum

Solothurner Zeitung

Katharina Arni-Howald

Rund 25 Mütter waren im Tivolihaus erschienen, um von einer Institution Abschied zu nehmen, die zwar immer mit Geldproblemen zu kämpfen hatte, sich aber stets über Wasser halten und ihrer Idee treu bleiben konnte. Vor drei Jahren erst war man vom Grabacker ins umgebaute Tivolihaus an der Zuchwilerstrasse gezogen - voller Hoffnung, dass nun an alles besser werde. Kein Wunder, dass bei vielen Benutzerinnen die Tränen nicht zurückzuhalten waren, als Franca Giani das endgültige Aus verkündete.

Es gibt ein Leben nach dem Müze für das «Tivoli»

Der Auszug aus dem eigens auf die Bedürfnisse des Mütterzentrums abgestimmten Tivolihauses hat dem Vereinsvorstand nicht nur in Bezug auf die Finanzen, sondern auch im Hinblick auf eine Nachfolgemieterin Sorge bereitet. Nun können die Frauen und die Besitzerin, die vom Armenverein verwaltete Stiftung Discherheim, aufatmen: Im kommenden Frühjahr werden der derzeit noch an der Zuchwilerstrasse 54 domizilierte Geschäftssitz der Solodaris Stiftung und der zugehörige Besuchsdienst in das Haus einziehen. Das Kompetenzzentrum für erwachsene Menschen mit einer psychischen Behinderung ist die zweitgrösste Behinderteninstitution im Kanton Solothurn. Diese kümmert sich um die auf die Bedürfnisse der Betroffenen angepasste Wohnformen und bietet zudem den Fähigkeiten angepasste Arbeitsangebote.
Mit dem Besuchsdienst bietet sie psychisch kranken Menschen mit einer IV-Rente nach einer entsprechenden Ausbildung Arbeitsmöglichkeiten im Bereich der Betagten-, Behinderten- und Nachbarschaftshilfe an. Nach kleinen Umbauten sollen im Haus Büro-, Arbeits- und Kursräume entstehen. «Wir werden von einer guten Infrastruktur profitieren», sagt der Solodaris-Geschäftsführer Daniel Wermelinger. (ka)

Noch niemand hatte im Frühling geahnt, dass der Betrieb aus finanziellen Gründen bereits Ende Sommer reduziert werden musste und die Löhne nicht mehr bezahlt werden konnten. «Trotz intensivsten Bemühungen gingen keine Spenden mehr ein, und die Suche nach Sponsoren verlief ergebnislos», bedauerte Giani. Dies sei umso bedauerlicher, als das Mütterzentrum (Müze) nach wie vor rege besucht worden sei.

Pioniergeist im Touringhaus

Ungeachtet dieses unerfreulichen Endes ist das Müze eine Erfolgsgeschichte. Sie begann 1990 in einer 4-Zimmer-Wohnung im Touringhaus. Neun junge Frauen folgten damals dem Ruf von Françoise Kopf, die in Deutschland von derartigen Institutionen gehört hatte. Angesprochen waren Mütter, die Kontakt suchten, aber der Kinder wegen nicht arbeiten gehen wollten. Als Vorbild diente das damals einzige Mütterzentrum der Schweiz in Bern-Bethlehem.

Der Anfang war schwierig, denn die Frauen unterschrieben den Mietvertrag ohne einen Rappen Geld in der Tasche. Dank Privaten und verschiedenen sozialen Institutionen - darunter die Pro Juventute, die auf Anhieb 10 000 Franken beisteuerte - war das Unternehmen vorerst gerettet. Nach langem Hin und Her subventionierte auch die Stadt den Betrieb mit 25 000 Franken.

Auf Widerstand stiess vor allem eines der Hauptziele des Vereins, nämlich jeder Frau, die im Mütterzentrum durch eine Dienstleistung aktiv wurde, einen bescheidenen Lohn zu bezahlen. Der Gedanke, dass Frauen, die nicht berufstätig sind, Gratisarbeit leisten, sass tief in den Köpfen. Doch die Gründerfrauen beharrten darauf, dass «jede Arbeit eines Lohnes wert» ist, denn sie wussten, dass selbst das geringste Taschengeld das Selbstbewusstsein stärkt.

Bereits im Sommer des Gründungsjahres hatten rund 200 Erwachsene und ebenso viele Kinder das Zentrum besucht. Die Kaffeestunde am Morgen, der Mittagstisch und der Kinderhütedienst am Nachmittag kamen den Frauen entgegen. Und es dauerte nicht lange, wurden auch erste Kurse angeboten. Diesmal nach dem Motto: «Jede Frau hat ein Talent, das sie nutzen sollte.»

Hoffnung, dass alles besser wird

Ein neues Kapitel wurde 1993 mit dem Umzug ins Gewerbezentrum Grabacker aufgeschlagen. Zu diesem Zeitpunkt platzte die Wohnung im Touringhaus aus allen Nähten. Im selben Jahr übernahm auch die damals 39-jährige Franca Giani das Präsidium, brachte neuen Schwung ins Müze und setzte sich unermüdlich für die Beschaffung von finanziellen Mitteln ein.

Dass dies schliesslich nicht mehr gelang, bedauerte auch der Leiter Soziale Dienste, Urs Bentz, der das Müze durch Dick und Dünn begleitet hat: «Wir hofften, dass mit dem Umzug ins ‹Tivoli› alles besser wird, nun ist es anders gekommen.» Immerhin reicht das Geld aus, um alle offenen Rechnungen zu zahlen, auch die geschuldete Miete konnte beglichen werden. «Was mit der Schliessung verloren gegangen ist, wird sich wahrscheinlich erst im Nachhinein zeigen», sagt Giani.