Das Statistische Jahrbuch des Kantons Aargau belegt: Es gibt immer weniger Bauern. In den ersten acht Jahren des neuen Jahrtausends sind im Aargau erneut knapp 500 Betriebe verschwunden. Die Zahl der Arbeitskräfte ging im gleichen Zeitraum um rund 2000 Personen zurück.
Toni Widmer
Würde das in der Wirtschaft passieren, liefen die Gewerkschaften wohl Amok: Auch in unserer Region geht die Zahl der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft nach wie vor dramatisch zurück. Laut dem aktuellen Statistischen Jahrbuch wurden 2008 im Kanton Aargau noch 10816 Voll- oder Teilzeitstellen in Bauernbetrieben ausgewiesen. Im Jahr 2000 waren es noch 12 758. Seit dem Beginn des neuen Jahrtausends hat die Landwirtschaft in unserem Kanton somit jedes Jahr über 240 Arbeitsplätze abgebaut. Eine Trendwende ist nicht in Sicht.
Betrachtet man das Bauernsterben über einen längeren Zeitraum, sind die Zahlen noch dramatischer. Von 1980 bis 2005 ging die Zahl der Voll- und Teilzeitstellen in der Landwirtschaft im Kanton Aargau um 9273 zurück. Hochgerechnet ergibt das über 25 Jahre einen durchschnittlichen jährlichen Arbeitsplatzverlust von 370 Stellen.
Betriebe werden immer grösser
Der Abbau von Arbeitskräften geht einher mit der Reduktion der Landwirtschaftsbetriebe. Zwischen 1985 und 2008 hat sich deren Zahl um über 36 Prozent auf 3808 verringert. Gleichzeitig sind die Bauernhöfe allerdings deutlich gewachsen. Bei den Betrieben mit einer Nutzfläche von über 20 Hektaren beträgt die Steigerung satte 78 Prozent. Noch krasser wird dieses Bild, wenn man die Veränderungen über ein halbes Jahrhundert betrachtet. 1955 gab es im Aargau noch 15 231 Bauernhöfe. Davon waren mit 5375 rund ein Drittel nicht grösser als 5 Hektaren, aber nur 191 grösser als 20 Hektaren. 50 Jahre später weist die Statistik noch 3864 Betriebe aus. Davon waren noch 848 kleiner als 10 Hektaren, aber bereits 1240 zwischen 20 und 50 Hektaren gross. Allein seit der Jahrhundertwende hat sich die durchschnittliche Betriebsgrösse von 14,7 auf 16,4 Hektaren erhöht.
Weniger Bauern produzieren mehr
Die Produktivität der Landwirtschaft, sagt Ralf Bucher, Geschäftsführer des Bauernverbandes Aargau (BVA) in Muri, sei dennoch nicht gesunken: «Technisierung und Spezialisierung haben dazu geführt, dass eine Person heute eine deutlich grössere Fläche bewirtschaften oder mehr Tiere betreuen kann als früher.» Damit einher gehen laut Bucher allerdings nicht selten längeren Arbeitszeiten und – als logische Folge davon – auch (noch) tiefere Stundenlöhne. Landwirten bleibe angesichts der stetig sinkenden Preise nichts anderes übrig, als immer effizientere Maschinen einzusetzen, um damit immer grössere Fläche bewirtschaften können», erklärt Bucher. Der Trend zu mehr Betriebsfläche werde weiter anhalten.
Was laut Bucher weiterhin abnehmen wird, sind auch die gemischtwirtschaftlichen Unternehmen: «Jenen Betrieb, den sich die Bevölkerung gemeinhin als Bauernhof vorstellt, wird es in Zukunft immer weniger geben. Der Bauer wird nicht mehr ein paar Kühe, ein paar Schweine, ein paar Hühner und vielleicht noch einzelne weitere Tiere halten und daneben noch etwas Ackerbau betrieben. Er wird sich immer stärker auf einen Wirtschaftszweig spezialisieren.» Nur mit einer absoluten Fokussierung auf Milchwirtschaft, Mast oder Ackerbau inklusive Spezialkulturen wie Gemüse, Obst oder Wein lasse sich die Produktivität heute noch im nötigen Rahmen steigern.
Freihandel lässt Höfe schrumpfen
Der BVA-Geschäftsführer malt diesbezüglich ein düsteres Bild: «Wir müssen davon ausgehen, dass sich die möglichen bevorstehenden Grenzöffnungen, wie ein Agrarfreihandel mit der EU oder ein WTO-Abkommen, schlagartig auf den Strukturwandel auswirken und dieser drastische Formen annehmen würde. Prognosen von Fachleuten gehen davon aus, dass sich die Anzahl der Betriebe innerhalb kürzester Zeit noch einmal halbiert.» Ob einseitige Grossbetriebe letztlich aber wirklich das seien, was die Schweizer Bevölkerung wünsche, dürfe man sich füglich fragen: «Die Opposition ist heute schon riesig, wenn im landwirtschaftlichen Bereich grosse Bauvorhaben anstehen», sagt Ralf Bucher.
Die Aargauer Bauern, erklärt Bucher weiter, hätten aber schon immer auch nach Alternativen gesucht. Das belege die Statistik deutlich. So stehe unser Kanton bezüglich der Nebenerwerbsbetriebe gesamtschweizerisch an vierter Stelle. Will heissen: Nur noch zwei Drittel der Bauern bewirtschaften ihren Hof hauptberuflich, alle anderen gehen einem Nebenverdienst nach.
Tendenz zu Nebenbetrieben
Die Zahl der Nebenerwerbsbetriebe ist laut Statistik nur in den Kantonen Tessin, Uri und Wallis prozentual noch höher als im Aargau. Den Grund dafür sieht Ralf Bucher in den günstigen kantonalen Gegebenheiten: «Die Struktur der landwirtschaftlichen Flächen erlaubt vielenorts ein hohes Mass an Technisierung und damit eine hohe Produktivität.» Dazu komme die Nähe zur Wirtschaft. «Unsere Bauern», erklärt Bucher vielsagend, «sind gut ausgebildet, flexibel und vielseitig sowie von Natur aus fleissig. Deshalb sind sie auch ausserhalb der Landwirtschaft als Arbeitskräfte begehrt.»