Burnout, Scheidung und eine Strafanzeige: Weil ein Kaufmann die Jahresrechnung eines Altersheims fälschte, wurde er vom Bezirksgericht Lenzburg zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse verurteilt.
Irena Jurinak
Er arbeitete manchmal 17 Stunden pro Tag und oft an den Wochenenden - Ferien nahm er erst, als sie ihm vom Chef verordnet wurden. Sein Arbeitseifer und die Angst, zu versagen, wurden dem 54-jährigen Kaufmann schliesslich zum Verhängnis: Burnout, Scheidung und eine Strafanzeige.
Weil er mit Arbeit überlastet gewesen war, hatte der während zweier Jahre in der Geschäftsleitung eines Altersheims für das Finanz- und Rechnungswesen zuständige F.M. Debitorenlisten gefälscht und offene Rechnungen nicht eingetrieben. Beträge von insgesamt 100 000 Franken konnten schlussendlich gar nicht mehr eingefordert werden.
Er wollte es in den Griff kriegen
Gestern musste sich der heute 54-Jährige wegen mehrfacher ungetreuer Geschäftsbesorgung und mehrfacher Urkundenfälschung vor Bezirksgericht Lenzburg verantworten. Sachlich und ruhig beantwortete F.M. die Fragen des Gerichtspräsidenten Daniel Aeschbach. Begonnen habe alles, weil die Buchhaltungs-Software des Altersheims bei seinem Stellenantritt veraltet gewesen sei und die Erfassung der Debitoren nicht funktionierte. «Ich hatte keine Kontrolle mehr.» Damit seine Versäumnisse nicht aufflogen, fälschte der Angeklagte schliesslich kurz vor der Revision der Jahresrechnung sogar Debitorenlisten.
«Ich weiss, das klingt nach einer Ausrede, aber die Revision rückte näher und ich hatte keine Zeit mehr.» Für die Fälschung habe er nur ein paar Stunden gebraucht, für die korrekte Liste wäre der Aufwand viel zu gross gewesen. «Ich hatte immer mehr Pendenzen, wenn ich etwas erledigt hatte, lagen schon wieder zwei neue Aufgaben auf meinem Pult.» Er habe ständig an Sitzungen anwesend sein müssen, zudem sei er auch noch Personalchef gewesen.
Die Fälschungen blieben vorerst unerkannt, erst als F.M. nach zwei Jahren kündigte und mit einem Burnout krankgeschrieben wurde, entdeckte der Trägerverein des Altersheims die fehlerhafte Buchhaltung. Warum er denn die Altlasten so lange mit sich herumgetragen habe und nie um Hilfe gebeten habe, wollte Aeschbach vom Angeklagten wissen. «Ich hatte das Gefühl, ich kriege das in den Griff. Ich habe einfach nicht nachgedacht in jenem Moment.»
Kein eigentlich Krimineller
Der Staatsanwalt forderte 15 Monate Gefängnis bedingt und eine Busse von 2500 Franken. Der Verteidiger plädierte auf eine Strafe von höchstens 8 Monaten Gefängnis bedingt, da der Angeklagte nur darum gekämpft habe, seinen Job zu machen und seinem Arbeitgeber nie habe schaden wollen. «Er vertraute darauf, der Sache wieder Herr zu werden. An die Verluste dachte er nicht.» Er sei in Panik geraten und habe die Probleme für den Moment lösen wollen.
Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu einer bedingten Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 120 Franken und zu einer Busse von 800 Franken. Die Forderung des Altersheims auf Schadenersatz über rund 130 000 Franken verwies das Gericht auf den Zivilweg.
Gerichtspräsident Daniel Aeschbach hielt dem Angeklagten in der Urteilsbegründung zugute, dass er sich nicht habe bereichern wollen, sondern die Angst vor dem Versagen und Jobverlust die Beweggründe für seine Taten gewesen seien. So stehe in den Polizeirapporten wohl richtigerweise, er sei «nicht eigentlich kriminell».
Auch dass er sich in der Zwischenzeit gefangen habe und wieder eine Arbeit habe, in einem ganz anderen Metier und sogar zu einem wesentlich geringeren Lohn als früher, spreche für den Angeklagten, so Aeschbach.
F.M. sagte denn auch, er wünsche sich für seine Zukunft, dass er sein momentanes Niveau, das ihm einigermassen ein Leben ermögliche, bis zur Pensionierung halten könne. Versagensängste sind für ihn kein Thema mehr: Er arbeitet als Maschinist in der Produktion und empfindet es als befriedigend, am Ende jeden Tages zu sehen, wie produktiv er gewesen sei.