Immer mehr Gemeinden überlegen sich, den Schulsozialdienst auch auf Kindergarten- und Primarschulstufe einzuführen. Federführend ist die Gemeinde Frenkendorf.
Alessandra Paone
Die Nachrichten über schwer erziehbare Jugendliche, die Alkohol und Drogen konsumieren und immer wieder in Schlägereien verwickelt sind, häufen sich. Mit ihnen wächst auch der Druck auf die Behörden und Schulen. Was tun? Obwohl man sich grundsätzlich einig ist, dass die Erziehung Aufgabe der Eltern ist, fühlt sich die Schule verpflichtet, einzugreifen und nach Lösungen zu suchen.
So überlegt sich die Gemeinde Füllinsdorf, auf Anfang 2010 einen Schulsozialdienst auf der Kindergarten- und Primarschulstufe einzurichten. Das Arbeitspensum des Jugendsozialarbeiters soll voraussichtlich zwischen 25 und 30 Prozent betragen. Während im Kanton Baselland auf der Sekundarstufe I und II der Schulsozialdienst fester Bestandteil des Bildungsgesetzes ist und vom Kanton geregelt wird, entscheiden auf der Unterstufe die Gemeinden in Eigenverantwortung, ob ein Schulsozialdienst für sie in Frage kommt.
Frenkendorf hat vor Füllinsdorf als erste Baselbieter Gemeinde im Februar des vergangenen Jahres versuchsweise einen Schulsozialdienst auf der Kindergarten- und Primarstufe eingeführt. «Das zweijährige Pilotprojekt bewährt sich bis jetzt», sagt Eva Balogh, Primarschullehrerin in Frenkendorf und Präsidentin des Ortsschulrates Füllinsdorf. Seit in Frenkendorf ein Sozialarbeiter an der Primarschule tätig ist, könnten die Lehrpersonen sich vermehrt auf ihre Kernaufgabe, das Unterrichten, konzentrieren. Die Entlastung sei gross.
Baloghs positive Erfahrungen mit dem Schulsozialdienst haben sie dazu bewogen, diesen Schritt auch in Füllinsdorf zu wagen. Beim Gemeinderat hat sie mit ihrem Vorschlag offene Türen eingerannt. «Die Mehrheit des Gemeinderates unterstützt diese Lösung», weiss der Füllinsdörfer Gemeindeverwalter Kurt Siedler. Beschlossen sei aber noch nichts. Siedler war vorher in Frenkendorf tätig und hat dort mitgeholfen, das Projekt aufzugleisen. Füllinsdorf und Frenkendorf sind ähnlich gelagerte Gemeinden mit einem ähnlich hohen Anteil an Ausländern. Deshalb sollte die Einführung auch in Füllinsdorf gelingen, bemerkt Siedler.
Selbst der Frenkendörfer SVP-Gemeinderat Andreas Trüssel, der zu Beginn der Einführung des Schulsozialdienstes in seiner Gemeinde skeptisch war, erkennt, dass der Erfolg dem Projekt Recht gibt. Seiner Haltung bleibt er aber trotzdem treu: «Es ist nicht gut, Kopfwehtabletten zu schlucken, ohne zu wissen woher der Schmerz kommt.» Denn die Erziehung sei immer noch in erster Linie Aufgabe der Eltern, betont Trüssel. Da es jedoch derzeit keine Möglichkeit gebe, die Gesellschaft zu ändern, sei jede Massnahme willkommen, die es ermöglicht, Sozialfälle zu reduzieren.
In Frenkendorf liegt der Ausländeranteil bei 27 Prozent. 60 Prozent aller Sozialfälle sind Personen mit Migrationshintergrund. «Dies zeigt klar die Problematik auf», sagt Trüssel. Und Kinder seien eben Frühindikatoren: Ihr Verhalten könne auf Missstände innerhalb der Familie hinweisen. Eva Baloghs Ziel ist es hingegen vielmehr, die Kinder möglichst unbelastet durch die Schulzeit zu begleiten.
SVP-Gemeinderat Andreas Trüssel erwartet nun einen ausführlichen Bericht des in Frenkendorf tätigen Schulsozialarbeiters Michael Tschannen. Er möchte überprüfen, ob sich der finanzielle Aufwand für die Gemeinde lohnt. Erst dann entscheidet der Gemeinderat, ob der Schulsozialdienst weitergeführt wird.
René Glauser, Leiter der Fachstelle Jugend und Gesellschaft beim Baselbieter Amt für Volksschulen, begrüsst die Bestrebungen der beiden Gemeinden Frenkendorf und Füllinsdorf. Er weiss auch von Münchenstein, dass man Überlegungen in diese Richtung anstellt. Studien, die im Rahmen der kantonalen Einführung des Schulsozialdienstes auf den Sekundarstufen I und II gemacht wurden, hätten deutlich gezeigt, dass der Bedarf auch auf der Stufe des Kindergartens und der Primarschule vorhanden sei.