Baustelle
Baustellenarbeiter Licino: «Einer muss es doch machen»

Licinio ist einer der vielen Bauarbeiter, die die Autobahn zwischen Lenzburg und dem Birrfeld sanieren. Trotz Lebensgefahr und Zehn-Stunden-Tage liebt der 53-jährige Polier aus Kleindöttingen seinen Job über alles.

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Pedro Licinio
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Baustellenreportage A1
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Pedro Licinio

Maja Sommerhalder

Der Pannenstreifen der Autobahn ist kein attraktiver Ort zum Arbeiten. Doch Pedro Licinio tut es. Und das jeden Tag; für mindestens zehn Stunden; bei hoher Luft- und Lärmbelastung. «Einer muss es doch machen», sagt der 53-Jährige fröhlich und setzt seinen Hörschutz auf. Der Polier aus Kleindöttingen war in den letzten 30 Jahren auf den verschiedensten Baustellen tätig, seit letztem November ist die A1 sein Arbeitsplatz. Dies wird für die nächsten drei Jahre so bleiben: Die Holperpiste Lenzburg-Birrfeld soll bis Ende 2012 erneuert werden und die unebenen Betonplatten einem lärmarmen Belag weichen. Noch aber ist man davon weit entfernt, denn die Hauptarbeiten haben vor nicht mal zwei Wochen begonnen.

Der Schnurrbartträger mit der orangen Weste arbeitet an diesem kühlen Mittwochnachmittag rund 1000 Meter von der Autobahnausfahrt Lenzburg entfernt. Autos und Lastwagen rasen auf der engen Fahrbahn in Richtung Bern im Sekundentakt an ihm vorbei. Die Höchstgeschwindigkeit von 80 Stundenkilometer halten nur wenige Lenker ein. Licinio steht nur eine Armlänge von der Fahrbahn entfernt. Ein falscher Schritt würde er wohl kaum überleben.

«Schweizer sind Ausländer»

Teamchef Licinio und seine drei Mitarbeiter lassen sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Konzentriert arbeiten sie an ihrem Werk - dem Betonfundament für die Leitblanken. Die Männer wechseln nur wenige portugiesische Worte. Längst nicht alle können sich auf Deutsch verständigen. Portugiese Licinio, der seit 30 Jahren hier lebt, hat mit dem Verstehen wenig Probleme. Sein Schweizerdeutsch ist zwar eigenwillig, doch seine witzigen Sprüche sitzen: «Leider habe ich auf der Baustelle wenig Gelegenheit, um Deutsch zu sprechen. Die Schweizer sind eben unsere Ausländer.»

Plötzlich werden die Männer aus ihrer Arbeit in der lärmigen Umgebung gerissen. «Der Beton kommt», ruft der Licinio und ein Lastwagen fährt auf die Baustelle zu. Langsam fliesst die graue zähflüssige Masse aus dem Betonfahrmischer. Die Arbeiter schaufeln, spachteln und stochern im Beton, während das Fundamentes für die Leitplanken Gestalt annimmt.

Fast vom Auto überfahren

Licinio gibt dem Fahrer des Betonfahrmischers unterdessen mit Handzeichen Anweisungen. Dann steigt Fahrer Livio Ramundo aus und hält dem Polier ein Formular zum Unterschreiben hin. «Ich beliefere viele Baustellen mit Beton, aber jene auf Autobahnen sind die Schlimmsten», sagt Ramundo und stöhnt. Das Wegfahren sei das Problem: «Ich muss von null auf 80 Stundenkilometer beschleunigen.» 20 Minuten dauert es manchmal, bis er wieder auf die Autobahn kommt: «Nicht selten kostet es auch Mut und Nerven.» An diesem Nachmittag hat er jedoch Glück. Schon nach wenigen Minuten verschwindet er mit seinem Gefährt wieder in Richtung Bern.

Auch Licinios Nerven werden oft strapaziert. «Natürlich habe ich manchmal Angst, dass uns ein Auto überfährt.» Vor vielen Jahren wäre es fast passiert: Ein Fahrzeug übersah die Sicherheitslinie der Baustelle und donnerte direkt auf die Arbeiter zu: «Glücklicherweise konnte es kurz vor uns bremsen.»

«Was Pedro macht, ist gut»
Trotzdem würde er seine Arbeit nicht missen wollen. Zu sehr mag er seinen Job: «Mir gefällt eigentlich alles.» Er sei eben stolz, wenn er nach vielen Jahren «seine» fertigen Bauwerke sehe. «Sie stehen alle noch, denn was Pedro macht, ist gut», sagt er strahlend. «Und überhaupt», meint er fast trotzig: «Wenn du dich zu sehr fürchtest, kannst du gleich zu Hause bleiben.» Für den passionierten Bauarbeiter kommt dies aber nicht infrage, zu viel Arbeit liegt auf der Autobahn vor ihm.

Licinio gönnt sich erstmals eine Pause im Baustellenwagen. Der kleine Raum ist staubig, es ist wohlig warm. Das Rauschen der Autobahn ist kaum noch zu hören. «Hier machen wir Znüni- und Mittagspause», sagt er und setzt sich an den Holztisch. Er nimmt seinen Helm ab, schütteres Haar kommt zum Vorschein. «Dieser Helm ist furchtbar unpraktisch.» Ständig falle er beim Bücken runter: «Ich verstehe auch nicht für was er auf der Autobahn gut sein soll. Soll er mich etwa schützen, wenn ein Vogel vom Himmel fällt?»