Vor 18 Jahren verliebten sich die Französin Céline und der Amerikaner Jesse ineinander- und wurden das Kultpaar der Generation X. Der Fortsetzungsfilm "Before Midnight" mit Ethan Hawke und Julie Delpy erzählt jetzt, was aus dem Traumpaar geworden ist
Mit ihrer Liebesgeschichte "Before Sunrise" haben Ethan Hawke und Julie Delpy einst das Lebensgefühl einer ganzen Generation eingefangen. So beschwingt und leichtfüssig traf sich noch selten ein Paar auf der Kinoleinwand wie die beiden im Zug nach Wien. Auch die oscarnominierte Fortsetzung "Before Sunset" neun Jahre danach wurde Kult.
Jetzt, wieder neun Jahre später, legt der amerikanische Independant-Regisseur Richard Linklater mit seinem eingespielten Duo einen dritten Teil vor: "Before Midnight" ist ebenso witzig, schlagfertig, einfallsreich, poetisch und klug - aber zugleich todtraurig.
Nach den Ferien
Was ist nur aus diesem wunderbaren Liebespaar geworden, das im ersten Film nichts anderes zu tun hatte, als eine ganze Nacht dauerredend durch Wien zu wandern? Jesse (Ethan Hawke) und Céline (Julie Delpy) sind inzwischen fest liiert, haben Kinder und eine gemeinsame Bettdecke - und einen ganzen Haufen Beziehungsprobleme.
Am Ende eines Urlaubs in Griechenland kommt es zum Showdown: Jesse will wegen seines Sohnes aus erster Ehe in die USA zurückkehren, Céline hat nach der Familienphase endlich einen guten Job in Aussicht und möchte deshalb mit den Zwillingen in Paris bleiben. "Das ist der Anfang vom Ende", sagt sie in düsterer Vorahnung.
Eigenes Erleben
"Der dritte Teil war mit Abstand der schwierigste", gestand Regisseur Linklater, als er den Film im Februar bei der Berlinale vorstellte. "Beim zweiten wusste niemand, dass er kommt, das war eine Überraschung. Jetzt beim dritten gibt es so viele Erwartungen."
Wie schon bei der vorigen Ausgabe hat der Filmemacher ("The School of Rock") auch diesmal das Drehbuch mit seinen Hauptdarstellern geschrieben. Sie sind mit ihren Figuren gealtert und konnten eigenes Erleben einbringen - vom geliebten Familienkätzchen, das der Vater einst umbrachte, bis zu der Erfahrung, selbst Eltern zu werden.
Pièces de résistence
Im Film darf dann natürlich eine Neuauflage des legendären Spaziergangs nicht fehlen, in dem wunderbar komisch über Gott und die Welt, Liebe und Sex, Mann und Frau gesprochen wird.
Es gibt eine 14 Minuten lange skurrile Szene im Auto und ein funkensprühendes Tischgespräch mit griechischen Freunden. Doch immer klingen die Dissonanzen an, die sich am Schluss in einem halbstündigen verbalen Inferno entladen.
Die Freunde haben Jesse & Celine zum Abschied vom Urlaub eine Liebesnacht im Hotel geschenkt, sie passen inzwischen auf die Kinder auf. Doch die ungewohnte Zweisamkeit geht so gründlich schief, dass man sich als Zuschauer die Decke über den Kopf ziehen möchte.
Fortsetzung folgt
Vielleicht funktioniert der Film, weil die Generation X, die vor 20 Jahren mit den Beiden von der bedingungslosen Liebe träumte, nun selbst im wahren Leben angekommen ist. "Die Traummaschine Hollywood setzt ja eher auf romantische Komödien", sagt die aus Paris stammende Delpy. "Wir haben versucht, ein bisschen ehrlich zu sein."
Am Schluss sitzt das zerstrittene Paar gemeinsam am Meer und schaut in den Sonnenuntergang. Was das bedeutet, bleibt offen. Regisseur Linklater verspricht zumindest: "2022 sehen wir uns wieder." (sda)