Am Montag feiert Grossbritanniens Monarchin Queen Elizabeth II ihr 60-Jahre-Thron-Jubiläum. Nur Victoria regierte noch länger. Doch Elizabeth II dürfte - wenn denn Langlebigkeit vererbbar ist - ihre Ur-Ur-Grossmutter übertreffen.
Das hat vorher nur ihre Ur-Ur-Grossmutter Victoria geschafft: Königin Elizabeth II feiert am Montag ihr 60-Jahre-Thronjubiläum. Dabei war sie für das Amt gar nicht vorgesehen. Als sie am 21.April 1926 im Londoner Haus ihres Grossvaters geboren wurde, stand sie in der Thronfolge nur an dritter Stelle, und hätten ihre Eltern später statt ihrer Schwester Margaret einen Sohn bekommen, wäre sie noch einen Platz nach hinten gerutscht. Frauen durften nur im Notfall auf den Thron, wenn kein männlicher Erbe zur Hand war. Dieses Gesetz wurde erst im vorigen Jahr aufgehoben.
Es hat sich in den vergangenen 60Jahren viel geändert in der Welt. Damals zählte das britische Königreich 50 Kolonien, heute ist Elizabeth nur noch Staatsoberhaupt von 15 Commonwealth-Staaten sowie dem Vereinigten Königreich – und auch das droht weiter zu schrumpfen, denn die Schotten wollen in zwei Jahren über ihre Unabhängigkeit abstimmen. Mehr noch als die politischen Ereignisse haben die sozialen Veränderungen die Stellung der Monarchie in Grossbritannien gewandelt. Laut einer Umfrage glaubt nur noch ein Drittel der Untertanen, dass die Royals ihr Geld wert sind. Schlimmer noch: Auf die Frage, welche drei nützlichen Dinge das Königshaus tue, mussten 83Prozent passen.
Sie hat sich kaum verändert
Nur die Queen hat sich kaum verändert. Sicher, sie hat sich ihren Upper-Class-Akzent abgewöhnt, den sie in den ersten Jahren ihrer Regentschaft an den Tag gelegt hatte. Heutzutage spricht sie die gleiche Sprache wie ihre Landsleute im Südosten Englands, das so genannte «Estuary English», das im Gebiet der Themsemündung gesprochen wird. Aber volksnah ist sie deshalb nicht geworden. Um sich ein wenig mit normalen Menschen vertraut zu machen, lädt Elizabeth jeden Juli 8000 Untertanen und ein paar ausgesuchte Ausländer zur Garden Party in den Buckingham-Palast ein, bevor sie in die Ferien nach Schloss Balmoral in Schottland fährt. «Sie ahnen gar nicht, wie viel Arbeit es macht, einen privaten Golfplatz in Schuss zu halten», waren ihre ersten Worte zu einem ihrer Gäste, der mit dem Problem tatsächlich nicht vertraut war, da er in einem Reihenhaus in Surrey wohnte.
Dennoch ist sie das bei Weitem beliebteste Mitglied ihrer Familie. Ihre Popularität beruht vor allem darauf, dass sie sich nie zu einer Meinung hinreissen lässt. Niemand weiss, wie sie über politische Ereignisse, über Politiker oder gar über ihre Angehörigen denkt. Man ahnt, dass ihr die Corgis, für die sie jeden Morgen Toastreiterchen mit Butter und Marmelade bestreicht, lieber sind als ihre Mitmenschen, aber sie hat nie jemanden brüskiert, ausser vielleicht die Gegner der Fuchsjagd. Interviews gibt sie grundsätzlich nicht, denn das wäre mit der Würde ihres Amtes nicht vereinbar, findet sie.
Heiliges Öl
Seit ihr der Erzbischof von Canterbury zur Krönungsfeier den Kopf mit heiligem Öl einrieb, stehe sie geistig über dem Rest der Menschheit, behauptete sie einmal. «Es ist nicht meine Aufgabe zu handeln, sondern zu sein», hat Elizabeth gesagt. Im 19. Jahrhundert schrieb der englische Verfassungsrechtler Walter Bagehot, dass die Mystik, der Schleier der Entrücktheit des Königshauses vom normalen Leben, unerlässliche Voraussetzung für das Fortbestehen der Monarchie sei. Elizabeth musste Bagehots Schriften zur Vorbereitung auf ihr Amt studieren, und sie hat seine Ratschläge stets befolgt.
Die Monarchin ist Kirchenoberhaupt, Kommandantin des Heeres und oberste Justizinstanz ihres Landes – allerdings nur in der Theorie. In der Praxis bleibt ihr lediglich ein Vorbehaltsrecht von Bedeutung: Sie darf den Premierminister ernennen und das Parlament auflösen. Wenn es um ihre Finanzen geht, herrscht im Buckingham-Palast Funkstille. Niemand weiss, wie viel sie auf der hohen Kante hat. Schätzungen reichen von bescheidenen 100 Millionen bis zu 4,5 Milliarden Pfund. Die genaue Zahl kennt nur der Steuerbeamte, der die Akte mit dem Namen «Elizabeth Alexandra Windsor» hütet. Ohne Zweifel ist sie eine der reichsten Personen der Welt.
Es hätte ein banalses Leben werden können
Als sie noch ein kleines Mädchen war, spielte Elizabeth am liebsten mit ihren hölzernen Pferden, die sie abends neben ihrem Bett aufreihte, absattelte und striegelte. Es hätte ein ganz banales Leben werden können, wenn sich nicht ihr Onkel, König Edward VIII., kurz nach seiner Thronbesteigung 1936 in die geschiedene US-Amerikanerin Wallis Simpson verliebt hätte und noch im gleichen Jahr zur Abdankung gezwungen worden wäre. Elizabeths Vater, der furchtbar schüchterne und stotternde Prinz Albert, musste als GeorgeVI. auf den Thron.
Drei Jahre später begann der Zweite Weltkrieg. Elizabeth trat 1944 dem Heimatshilfsdienst bei, sie machte den Führerschein und wurde zur Automechanikerin und Kraftfahrerin ausgebildet. Als sie nach dem Krieg, am 20. November 1947, ihren langjährigen Bekannten Prinz Philip heiratete, der wie sie ein Ur-Ur-Enkelkind von Königin Victoria ist, gab es in England lange Gesichter, denn Philip von Griechenland besass weder einen Titel noch Ländereien, er stammte aus dem ärmsten Königshaus Europas und hatte obendrein eine Reihe peinlicher deutscher Verwandter, die aufseiten der Nazis standen und deshalb aus Philips Biografie herausgestrichen wurden. Philip selbst hat sich auf so mancher Auslandsreise durch rassistische Zitate hervorgetan, etwa in China, wo er sich über die Schlitzaugen lustig machte. Lillibet, wie die Queen von ihrem Ehemann genannt wird, hat sich dazu öffentlich nie geäussert, doch ihre eigene Einstellung unterscheidet sich womöglich gar nicht so sehr von der ihres Mannes. Als sie bei einem Staatsbesuch auf Barbados frei in der Menge herumlief, pickte sie die wenigen Weissen zum Händeschütteln heraus und ignorierte die Schwarzen.
Sie war 25, sie war Königin
Als ihr Vater am 6. Februar 1952 an Lungenkrebs starb, befand sich Elizabeth mit ihrem Mann in einem Baumhaushotel in Kenia. Sie war 25, und sie war Königin. Ihre Rolle als Mutter musste fortan dahinter zurücktreten. Ihren Kindern gegenüber hat sie sich nie zu einer Gefühlsregung hinreissen lassen. Nach einer ausgedehnten Commonwealth-Rundreise begrüsste sie den sechsjährigen Prinz Charles mit Handschlag.
Die Kinder haben es ihr später mit zahlreichen Affären und Skandalen heimgezahlt und den Ruf der Familie stark beschädigt. Besonders arg kam es im Jahr 1992, das als «annus horribilis» in die königlichen Annalen eingegangen ist. Damals ging es Schlag auf Schlag: die Trennung von Prinz Andrew und Sarah Ferguson, die Scheidung von Prinzessin Anne und Mark Phillips, die Veröffentlichung von Dianas intimer Biografie, der Abdruck eines Fotos der barbusigen Fergie, an deren Zeh ihr Finanzberater knabbert, der heimliche Mitschnitt der obszönen Telefongespräche zwischen Charles und seiner Geliebten Camilla Parker-Bowles, die Trennung von Charles und Diana. Und dann brannte obendrein Windsor Castle ab – das alles innerhalb von zehn Monaten. Die Bilder, wie die Queen mit Kopftuch und Gummistiefeln den Feuerwehrleuten zur Hand ging, sind um die Welt gegangen. Es war ihr 45. Hochzeitstag, Philip war auf einer Auslandsreise. Am nächsten Tag lag sie mit Schnupfen im Bett.
Die «Teflon-Monarchin»
Für die Boulevardpresse waren die Eskapaden der Queen-Sprösslinge ein gefundenes Fressen, doch an der «Teflon-Monarchin», wie der «Guardian» sie nannte, blieb der Schlamm, mit dem ihre Familie beworfen wurde, nicht kleben. Erst nach Prinzessin Dianas Unfalltod 1997 geriet auch Elizabeth ins Kreuzfeuer der Medien. Ob sie in Anbetracht der nationalen Trauer nicht zu ihrem Volk sprechen wolle, fragte die Presse. Elizabeth brach erst nach mehreren Tagen ihr Schweigen und setzte die Flaggen an ihren Palästen auf halbmast. Damals wurde ihr klar, dass sich das Ende der Monarchie nur durch Öffentlichkeitsarbeit verhindern lässt.
So lange sie lebt, wird die Monarchie nicht in Gefahr geraten. Man ist aber für den Ernstfall gerüstet: Während der Hochzeit ihres Enkels Prinz William und Kate Middleton voriges Jahr fand unter dem Codenamen «London Bridge» der Probelauf für Elizabeths Beerdigung statt – diskret im Hintergrund, versteht sich. Eine solche Ansammlung von Staatsoberhäuptern und Mitgliedern von Königsfamilien aus der ganzen Welt könne man sich nicht entgehen lassen, um Zeitpläne, Routen, Einladungslisten und Sicherheitsvorkehrungen in Hinblick auf das Begräbnis der Monarchin zu überprüfen, sagte ein Sprecher des Palasts. Und auch bei der BBC liegt der Nachruf schon bereit. Der Sender hat für den Film «Die Nacht, in der die Queen starb» den Dramatiker David Hare um ein Interview gebeten – wegen der Ausgewogenheit, denn Hare ist Mo-
narchiegegner. Er lehnte ab. «Sie meinen», fragte er, «ich soll die Königin an dem Abend angreifen, an dem sie stirbt?» Das würde er nicht mal im Falle Margaret Thatchers tun.
Mit 85 noch rüstig
Im Gegensatz zu Thatcher ist Elizabeth mit ihren 85 Jahren noch sehr rüstig, und wenn Langlebigkeit vererblich ist, hat sie noch viele Jahre vor sich. Ihre Mutter ist trotz ihrer Vorliebe für Gin 101 geworden. So erscheint es gar nicht unwahrscheinlich, dass Elizabeth auch ihr 70-Jahre- Thronjubiläum begehen kann. Das hat nicht mal Victoria geschafft. (Sie regierte 63Jahre und 7Monate.) Die Feier zum 60. Jahrestag findet im Juni statt. Zum einen ist dann das Wetter vielleicht besser, zum anderen fand die Krönungsfeier am 2.Juni 1953 statt. Damit die Untertanen mitfeiern können, hat man den Maifeiertag auf Anfang Juni verlegt und der Nation noch einen zusätzlichen Feiertag spendiert.
Was schenkt man einer der reichsten Frauen der Welt? Eine neue Jacht, fand Bildungsminister Michael Gove. 60 Millionen Pfund sollte das königliche Segelschiff kosten. Der damalige Premierminister Tony Blair hatte gleich nach seinem Amtsantritt 1997 ihr altes Boot zu ihrem Verdruss ausgemustert, was ihm heute leidtut. Der jetzige Premierminister David Cameron hält angesichts der angespannten finanziellen Lage eine neue königliche Jacht jedoch für ein falsches Signal an die Bevölkerung. So muss die Queen zu ihrem Jubiläum mit einem Ständchen der Spice Girls vorliebnehmen. Die ins Alter gekommene Mädchenband kommt für den Ehrentag noch einmal zusammen. Die Königin wird auch diese Herausforderung mit der ihr eigenen Contenance meistern.