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Das Basler Journalisten-Urgestein Franz C. Widmer ist im Alter von 75 Jahren gestorben.
«Was meinst du, was würde Golda Meir Donald Trump antworten?» War Franz C. Widmer am Telefon, ging es direkt zur Sache. Einer wie er erwartete, dass sein Gesprächspartner a) den letzten Tweet des US-Präsidenten gelesen hatte, b) den Namen Golda Meir kannte und c) schlagfertig genug war, aus dem Stand eine These zu formulieren, über die sich anschliessend diskutieren liess. Lieber noch tat Franz das an einem der Stammtische. Da tauschte sich der Profi nicht nur mit Berufskollegen aus; in seiner Agenda hatten die Mittagessen mit Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport ihren festen Platz. Und die Kontakte mit der Pendlergemeinschaft Basel-Zürich, der er während seiner Zeit beim Ringier-Verlag angehörte, mit den Ehemaligen des Armeestabteils Presse und Funkspruch, wo er es bis zum Oberst gebracht hat, und anderen Gruppen liess FCW auch nach seiner Pensionierung vor zehn Jahren nie abreissen.
Ihre Tischgespräche nährten sich zu einem erheblichen Teil aus dem reichen Fundus an Erfahrungen, aus dem Widmer schöpfte, sobald er seinen legendären beigen Regenmantel an den Haken gehängt und die aktuelle Ausgabe des «Spiegels» auf den Tisch geworfen hatte: Schulen und Studium in Arlesheim BL und Basel. Lange vom Abschluss als lic. rer. pol. Berufseinstieg im Korrektorat und als Handball-Sportberichterstatter der damaligen «National-Zeitung». 1968 Festanstellung in deren Wirtschaftsressort und erster Karriereschritt als London-Korrespondent. Nach der Rückkehr Wechsel ins Auslandressort und Chef vom Dienst.
Als solcher Co-Architekt der Fusion von «National-Zeitung» und «Basler Nachrichten» zur heutigen «Basler Zeitung» (BaZ) im Januar 1977. Dann die Berufung an die Journalisten-Schule von Ringier, die er von 1979 bis 1986 leitete, daneben Gesprächsleitungen beim Lokalradio «Basilisk». Und schliesslich die berufliche Rückkehr in die Nordwestschweiz als Chefredaktor der «Basellandschaftlichen Zeitung» (bz), die er 1988 übernahm und von einem betulichen FDP-Parteiorgan zu einer ernst genommenen Stimme entwickelte.
2006 entschloss sich Widmers Verleger und Freund Mathis Lüdin zur Kooperation mit der «Mittelland-Zeitung». Wer annahm, der damals 63-jährige FCW würde als Chefredaktor der bz die Umstellung jüngeren Kräften überlassen, hatte sich getäuscht. Manche Lunch-Gesellschaft verliess er nun noch vor dem Café Calvados, um im 14-Uhr-Konferenzgespräch mit der Zentralredaktion persönlich genügend Raum, attraktive Aufmacher und süffige Titel für seine bz auf der Zeitungsfront zu sichern. So lebte der Vollblutjournalist bis zur ordentlichen Pensionierung 2007 Einsatz, Engagement und Feuer vor, die er von seinen Redaktionen und Schülern stets einforderte.
Auch als Rentner hielt sich der «News-Junkie» (Eigendeklaration) im Gespräch. Er leitete unter anderem wöchentlich eine Journalisten-Diskussion in einem Lokalradio, meldete sich in TV-Sendungen zu Wort und briefte Kollegen, die die Geschichte der BaZ aufarbeiteten. Sein letzter Beitrag zum 40. Jahrestag der Zeitungsfusion begann Ende Januar so: «Franz, du bist der Letzte, der noch lebt.»
Der Satz muss leider korrigiert werden: FCW ist am Karfreitag in seinem 75. Altersjahr zu Hause in Riehen gestorben. Sicher hat er noch gelesen, dass drei Tage vorher die weltweit höchste Auszeichnung für Journalisten, der Pulitzerpreis, einem Lokaljournalisten verliehen worden war. Und dass dieser die Ehrung mit einem Satz quittierte, den FCW sofort unterschrieben hätte: «Für mich ist Journalismus das grösste Vergnügen, das mit Kleidern am Leib möglich ist.»