Luginbühl
«Der Rollenwechsel ist nicht so leicht »

Werner Luginbühl fühlt sich als einziger BDP-Politiker im Ständerat nicht einsam. Der Wechsel vom Regierungsamt ins Parlament sei allerdings nicht so einfach. Einen weiteren Parteiwechsel schliesst Luginbühl aus.

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Werner Luginbühl

Werner Luginbühl

Schweiz am Sonntag

Von Andreas Toggweiler

Wie geht es Ihnen als einziges BDP-Mitglied im Ständerat. Fühlen Sie sich da nicht etwas einsam?
Werner Luginbühl: Nein, keineswegs. Im Ständerat pflegt man über die Parteigrenzen hinweg ein gutes Verhältnis. Nebst den Fraktionssitzungen der BDP kann ich mich für die Vorbereitung von Ständeratsgeschäften der Gruppe der FDP-Ständeräte anschliessen. Das verschafft mir zugleich Überblick über jene Geschäfte, die nicht meine Kommissionen betreffen.

Dann haben Sie als BDP-Politiker am meisten Affinität zur FDP?
Persönlich gesehen, ja.

Nach einem fulminanten Start ist es um die BDP wieder ruhiger geworden. Was unterscheidet sie von anderen bürgerlichen Parteien, beispielsweise der FDP?
Die BDP ist eine bürgerliche Partei, die gesellschaftspolitisch offen, europapolitisch verlässlich und offen für Umweltanliegen ist. Wir legen daneben Wert auf konstruktive und differenzierte Politik und sind unabhängig. Von der FDP grenzen wir uns am meisten ab in Umweltfragen, die wir stärker gewichten.

Fast so wie die Grünliberalen also.
Allerdings haben wir ein starkes bäuerliches Element, das man bei FDP und Grünliberalen nicht findet. Wir sprechen uns klar für die Unterstützung der Landwirtschaft aus.

Was kann eine Fraktion mit sechs Mitgliedern überhaupt bewegen?
Im Ständerat habe ich eine Stimme wie jeder und jede. Ich setze sie ein, um im Rat und in der Kommissionsarbeit unsere Grundhaltungen zu vertreten. Ab und zu gelingt es mir als Einzelner, eine Kommission zu überzeugen, manchmal nicht. Das war früher, als ich Mitglied einer Gruppe war, auch nicht anders. Somit sehe ich kaum Unterschiede zu meiner Zeit in der SVP-Fraktion. Im Ständerat ist man nicht primär Parteivertreter. Man diskutiert konstruktiv und lässt sich ab und zu auch überzeugen. Das mag aus der Sicht von «Parteibüffeln» problematisch scheinen. Aber für die Sache ist es gut.

Strategisch sind Sie trotzdem auf verlorenem Posten. Falls Sie in zwei Jahren zum Beispiel gegen Johann Schneider-Ammann um einen Ständeratssitz kämpfen müssten ...
Als ich letztes Jahr die Partei gewechselt habe, war mir klar, dass damit meine politische Zukunft ungewiss ist. Dem schaue ich aber mit einer gewissen Gelassenheit entgegen. Die kantonalen Wahlen werden zeigen, wo die BDP steht. Ich lasse mir alle Optionen offen.

Auch einen erneuten Parteiwechsel?
Dies bestimmt nicht. Der Parteiwechsel war für mich ein Gewissensentscheid, der mir schwer genug gefallen ist. Es wird keinen weiteren geben. Aber es gibt ja noch anderes als Politik.

Sie wurden von einem Versicherungskonzern als Networker angestellt. Sind Sie unabhängig genug?
Ja. Die Mobiliar ist übrigens kein Konzern, sondern eine national tätige Genossenschaft. Von der Philosophie her passen wir gut zusammen. Gewisse andere Mandate wären für mich nicht infrage gekommen. Beispielsweise solche, in denen ich ständig Interessenkonflikte mit dem Kanton Bern hätte. Dies ist hier nicht der Fall. Und im einzigen Bereich, wo es mit der Assekuranz Probleme geben könnte, habe ich klar kommuniziert, dass ich mich nie gegen das kantonale Gebäudeversicherungsmonopol stellen würde.

Sie haben die überbordende Revision des Raumplanungsgesetzes mit einem Vorstoss in die richtigen Bahnen gelenkt. Was war Ihre Motivation, sich in einem Bereich zu engagieren, der nicht gerade wählerstimmenträchtig ist?
Ich war zehn Jahre Raumplanungsdirektor im Kanton Bern und kann somit sagen, dass ich etwas von der Materie verstehe, auch wenn ich nicht in der entsprechenden Kommission bin. Das Thema hat jetzt mit der Landschafts-Initiative einige Brisanz gewonnen.

Allerdings. Die Schweiz wächst jährlich um über 100 000 Personen. Was kann da die Raumplanung tun?
Einiges, wenn man sie mit der richtigen Verkehrspolitik kombiniert. Denn die Verkehrsinfrastrukturen diktieren die bauliche Entwicklung, was lange ignoriert wurde. Die Regionalkonferenzen im Kanton Bern haben dieses Denken aufgenommen.

Die Gefahr, dass das Oberland und das Emmental den Anschluss verlieren, ist damit aber nicht gebannt.
Leider nein. Die Zentren müssen florieren, auch, damit wir die Mittel generierern können, um die Infrastruktur auf dem Land aufrechterhalten können. Dies im Bewusstsein zu halten, ist im Kanton Bern eine Daueraufgabe.

Wo lag der Schwerpunkt Ihrer Kommissionsarbeit?
Ich kann zwei Bereiche nennen: In der Rechtskommission habe ich mich stark für die Reform des Aktienrechtes engagiert. Der Ständerat sieht darin einen tauglichen Gegenvorschlag zur Abzocker-Initiative, auch wenn eine unheilige Allianz in der Nationalratskommission das inzwischen anders sieht. Eine Annahme der Initiative würde dem Wirtschaftsstandort Schweiz schaden, davon bin ich überzeugt. Ein wichtiges Anliegen ist mir ferner, dass die Schweiz für Stiftungen attraktiv bleibt. Wir müssen aufgrund von Entwicklungen im Ausland hier gewisse Anpassungen vornehmen.

Insgesamt hat das Parlament in den letzten zwei Jahren nicht sehr viel erreicht. Teilen Sie diese Einschätzung?
Das ist teilweise richtig. Es gab wichtige Schritte: Parallelimporte werden möglich, das Cassis-de-Dijon-Prinzip wurde eingeführt; wir haben eine MwSt-Reform beschlossen, und eine Familienbesteuerungs-Reform, von der man seit zehn Jahren geredt hat, ist endlich unter Dach. Zugegeben: Das Gesundheitswesen ist blockiert. Eine Reform grenzt dort an eine «Mission Impossible». Denn alle jungen Gesunden möchten möglichst wenig zahlen, wer unter Gebresten leidet aber nur die allerbeste und teuerste Behandlung bekommen. Das beisst sich, ist aber menschlich. Medizinischer Fortschritt kostet Geld, bringt aber auch etwas. Das habe ich selbst erlebt, als ich bei einem Sturz meine Schulterbänder gerissen habe. Vor einigen Jahren hätte dies noch zu einer dauerhaften Behinderung geführt. Die heutigen Operationstechniken erlauben, dass ich mich wieder fast normal bewegen kann.

Wie kommen Sie mit dem Wechsel von der Exekutive in die Legislative zurecht?
Die Kollegen, die Regierungsräte waren, warnten mich: Du brauchst mindestens zwei Jahre für die Umstellung. Heute muss ich sagen: Sie haben Recht. Der Rollenwechsel ist radikal und nicht leicht...

Sie möchten mehr zu sagen haben...
(Lacht) Ja, eindeutig! Vorher hatte ich eine Direktion mit 2000 Leuten. Wenn ich hier erlebe, wie viel Kraft und Zeit es manchmal braucht, um nur einen Vorstoss durchzubringen, also um einen Auftrag zu erteilen, wird es mir erst richtig bewusst, welch grossen Gestaltungsspielraum man in der Exekutive hat.

Sind Sie zufrieden mit der Arbeit des Bundesrates? Er musste in den letzten Monaten viel Kritik einstecken.
Die Arbeit des Bundesrates ist nicht so schlecht, wie sie zum Teil gemacht wird. In der Aussenpolitik sind aber gewisse Modifikationen nötig. Berndeutsch gesagt: wir müssen uns so aufstellen, dass wir aussenpolitisch «e Gattig» machen.

Was wollen Sie in den nächsten zwei Jahren noch erreichen?
Mein persönliches politisches Credo lautet dahingehend, dass die Politik Unregulierbares zu regeln versuchen sollte, aber den Mut und die Kraft haben sollte, dort dranzubleiben, wo es nötig ist. Mir macht beispielsweise Sorgen, dass man in der Bankenwelt nach der Finanzkrise schon wieder zur Tagesordnung übergeht. Der Lerneffekt scheint bisweilen gleich null. Hier muss die Politik hartnäckig bleiben.