«Der Erfolg traf mich unvorbereitet»

Norah Jones hat mit «The Fall» ihre vierte CD veröffentlicht. Im Interview erzählt sie über die teilweise raue Stimmung auf dem Album, Manhattan und ihren Hund Ralph.

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Norah Jones
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Keystone

Reinhold Hönle

Norah Jones, was ist neu an Ihrem neuen Album?
Norah Jones: Es klingt überraschend anders, auch für mich. Nach acht Jahren Zusammenarbeit mit der vertrauten Riege guter Musiker, die ich in New York um mich geschart hatte und mit der ich meinen typischen, intimen Sound entwickelt und kultiviert hatte, war eine Veränderung fällig.

Wie haben Sie das gespürt?
Jones: Die letzte Tournee kostete uns alle viel Kraft. Wir fühlten uns müde und ausgebrannt. So war es an der Zeit, Neues auszuprobieren - nicht nur für mich, auch für meine Musiker.

Wie kamen Sie auf Produzent Jacquire King?
Jones: Auf der Suche nach neuen Musikern nahm ich «Mule Variations», mein Lieblingsalbum von Tom Waits, hervor und entdeckte, dass er dort Toningenieur war.

Sind Sie auch beim Songschreiben anders vorgegangen?
Jones: Ich habe schon für «Not Too Late» viel selbst geschrieben, aber diesmal fühlte ich mich sicherer und habe viel mehr mit Co-Autoren zusammengearbeitet, die ich nicht persönlich kannte. Sie haben für mehr Groove, härtere Beats und neue Klänge auf der Platte gesorgt. Ausserdem spiele ich mehr Gitarre als Piano.

Welchen Einfluss hat das auf die Songs?
Jones: Ich bin beim Singen relaxter, weil ich dann mit der Gitarre den Rhythmus halte und den Gesang einfach darauflegen kann. Weil ich auf dem Klavier mehr improvisiere, muss ich mich beim Singen speziell konzentrieren, um nicht aus dem Takt zu geraten.

Weshalb haben Sie «Chasing Pirates» als Single gewählt?
Jones: Manche Lieder von «The Fall» hätten auch aufs letzte Album gepasst, aber dies war einer der ersten Songs, die bereits den neuen Sound hatten.

Auch das ungewohnt rockige «It's Gonna Be» ragt heraus.
Jones: Das habe ich vor den amerikanischen Wahlen geschrieben. Es ist kein ausgesprochen politisches Lied, doch man spürt die aufgeladene Atmosphäre. Angefangen hat die Nummer mit mir und meinem treuen Banjo. Die Kompositionen tönten ziemlich holprig, bis mein Freund, der Schlagzeuger ist, das passende Fundament schuf. Zum Schluss kam noch ein Schuss Wurlitzer dazu. Ein gutes Beispiel, welche Bedeutung dem Arrangement zukommen kann.

Woher stammt die Idee, «You Ruined Me» mit so ungewohnt rauer Stimme zu singen?
Jones: In der ersten Studiowoche litt ich unter starken Allergien. Ich musste ständig niesen und hatte einen kratzigen Hals. So klingt meine Stimme auf einigen Liedern etwas rau und heiser. Weil mir dies gefallen hat, haben wir die Aufnahmen trotzdem verwendet.

Wie viel Autobiografisches steckt in Ihren Texten?
Jones: Das Album ist reich an persönlichem Material, doch es ist schwer zu identifizieren. Das Tolle ist ja, dass man sich als Künstler an keine Gesetze halten muss. Wenn ich über eine Erfahrung schreibe und der Text ein wenig langweilig zu werden droht, kann ich ein fiktionales Element hinzufügen.

Ein Song heisst «Back To Manhattan». Was bedeutet Ihnen Ihre Wahlheimat New York?
Jones: Manhattan ist mein Wohnort. Dort leben meine Freunde und viele andere Leute, mit denen ich mich verbunden fühle. Ich könnte jedoch auch in Austin, Texas, leben, wo ich ebenfalls ein soziales Netzwerk habe.

Dann spielen die multikulturellen Schwingungen New Yorks für Sie keine wichtige Rolle?
Jones: Manhattan ist zwar grossartig, aber ich bin eher ein häuslicher Typ. Im Grunde würde ich es überall aushalten, wenn die Menschen, die mir wichtig sind, dort leben. Und mein Hund.

Ist das Ihr Bernhardiner auf dem Cover?
Jones: Nein, Ralph ist kamerascheu! (Schmunzelt)

Sie haben kürzlich gesagt, Sie hätten die erste Zeit nach dem Durchbruch mit «Come Away With Me» 2002 nicht geniessen können. Wie ist es heute?
Jones: Ich habe inzwischen gelernt, mit diesem Hype zu leben. Damals traf mich mein überwältigender Erfolg vollkommen unvorbereitet und wuchs mir über den Kopf.

Möchten Sie manchmal lieber unbekannt sein und wieder in kleinen Jazzclubs auftreten?
Jones: Ich möchte niemand anders sein als die Person, die ich bin, und mich auch nicht mit «Was wäre, wenn . . .?»-Spielen verrückt machen. Wenn dir in deinem Leben etwas nicht passt, musst du es ändern! Manchmal habe ich jedoch schon das Gefühl, nicht wirklich in die Popwelt hineinzupassen. Ich habe meine Wurzeln ja nicht im Mickey Mouse Club, sondern bin nur eine Musikerin, die grosses Glück und enormen Erfolg hat.