Marianne Wildi spricht zur Kundenflucht bei der UBS, den hohen Boni und zu den Stärken der Hypi Lenzburg. Und zur ungewohnten Rolle als Frau an der Spitze einer grossen Regionalbank.
Hans Lüthi
Wie viele Stunden arbeiten Sie pro Woche, inklusiv Samstag und Sonntag?
Marianne Wildi: Meistens am Samstag, selten am Sonntag, vielleicht 50 bis 60 Stunden. Aber ich weiss es nicht und zähle das nicht, weil es für mich überhaupt nicht relevant ist.
Ist die Bank Ihre Familie?
Wildi: Weil ich seit rund 25 Jahren bei der Hypi tätig bin, hat es viele Leute, die ich sehr gut kenne und schätze. Das charakterisiert die Hypi: wir sind eine grosse Familie. Es ist die Verbundenheit mit der Region, mit den Leuten, das Geld allein macht es sicher nicht aus.
Dann pflegen die Aktionäre und Kunden auch eine langjährige Beziehung?
Wildi: Das hört man an der Generalversammlung, wenn die Leute sagen, warum sie teilnehmen. Die einen nützen den Anlass zusätzlich für ein Familientreffen und gehen teilweise vorzeitig in die Restaurants. Andere treffen sich später zum Jassen oder machen eine Klassenzusammenkunft. Das gehört irgendwie dazu. Die Hypi-Aktie vererbt man eher, als dass man sie verkauft.
Die Banken haben den Ruf, gute Löhne zu zahlen, wie hoch ist die Lohnsumme und die Erhöhung für 2010?
Wildi: Der Personalaufwand beträgt um die 22 Millionen Franken, für 2010 werden die Erhöhungen, angesichts der stagnierenden Wirtschaft, gering bleiben.
Wieviel Prozent sind es genau?
Wildi: Es sind unter zwei Prozent, die Details liegen noch nicht vor. Den Konkurrenzkampf mit dem nahen Arbeitsplatz Zürich spüren wir. Mit den dortigen hohen Löhnen können wir nicht mithalten. Auskunft gibt auch die Statistik der Entschädigungen für Geschäftsleitung und Verwaltungsrat. Da sind wir bei der Hypi nicht vorne, sondern am Schluss.
Letztes Jahr machte die Hypi 24 Millionen Gewinn und ein Plus von 4,7 Prozent. Sind Sie jetzt auf Kurs?
Wildi: Grundsätzlich sind wir auf Budget-Kurs, aber aufgrund der Börsenkotierung der Hypi-Aktien an der SWX darf ich keine Zahlen nennen.
Wie stark profitiert die Hypi von der Kundenflucht bei der UBS?
Wildi: In den Gemeinden mit Hypi-Geschäftsstellen haben wir einen hohen Marktanteil, bis über 50 Prozent. Da an unseren Standorten, ausser in Lenzburg, keine Grossbanken vertreten sind, können wir von der Kundenabwanderung bei der UBS nicht profitieren. Die grössten Konkurrenten sind die Kantonalbank, die Raiffeisenbanken und die NAB.
Darf eine Grossbank Millionen von Boni zahlen, nachdem sie vom Staat Milliarden für die Rettung erhalten hatte?
Wildi: Ich bin froh, dass ich dies nicht entscheiden muss. Das ist eine ethische Frage, die sich bei uns nicht stellt. Wir haben keine solchen Boni-Gehabe, einen Bonus kassieren die Sparer auf ihren Bonuskonti. Unsere Mitarbeiter können entsprechende Kritik getrost zurückweisen, weil sie einen leistungsbezogenen Lohn, aber nicht erfolgsabhängigen Bonus beziehen.
Aber bei der UBS heisst es, ohne Boni seien die guten Leute nicht zu haben?
Wildi: Ja, man sagt, dies sei normal im Markt. Da kann ich nur sagen, in diesem Weltmarkt sind wir nicht daheim. Dort setzt Amerika den Massstab.
Und wie stark werben ihnen die Banken in Zürich gute Leute ab?
Wildi: Die jungen Leute werden bei uns sehr gut ausgebildet und machen gute Abschlüsse. Viele gehen später zu einer Grossbank, um die weite Welt zu sehen. Aber häufig ist es so, dass man nach der Rückkehr in die Region und wenn man eine Familie hat, der leicht erreichbare Arbeitsplatz einen hohen Stellenwert erhält.
Die kommen wieder zurück?
Wildi: Ja, und dann geniessen sie die Atmosphäre hier. Hohe Leistung ist auch bei uns nötig, aber der grosse Druck durch die Boni fehlt. Wir haben viele Leute, die zu uns kommen, weil sie sich mit der Arbeitsweise der Grossbanken nicht mehr identifizieren. Und sie wollen gar keine hohen variablen Lohnanteile. Der Trend hat gekehrt zum stabileren Fixlohn. Darauf können sich die Mitarbeitenden verlassen, es zwingt sie nicht, Umsatz auf Umwegen generieren zu müssen. Bei den jüngsten Rekrutierungsgesprächen wurde unser System sehr positiv gewertet.
Finanzkrise, Bankenkrise, doch die Hypi steht wie ein Fels in der Brandung. Warum?
Wildi: Wenn die Wirtschaft stark boomt, gehen die meisten Kurse steil nach oben, unsere aber bleiben stabil. Das kann zur Frage führen, was macht man mit einer langweiligen Regionalbank-Aktie. Aber wenn die Börse bergab geht, sind wir stabil. Es gab keinen Crash bei unseren Aktien. Die Rendite ist gut, aber kurzfristige Spekulationsgewinne kann man mit der Hypi-Aktie nicht machen.
Als Frau an der Spitze einer Bank ist exklusiv, wie kommen Sie als Bankchefin in der Männerwelt zurecht?
Wildi: Ich war immer in einer Männerwelt, denn ich komme ursprünglich aus der IT-Branche. Ich habe immer an Orten gearbeitet, wo es mehr Männer als Frauen hatte. Darum ist die Situation für mich nicht speziell.
Auch als Chefin nicht?
Wildi: Der grosse Schritt war für mich vor drei Jahren, als ich zum Mitglied der Geschäftsleitung gewählt wurde. Seither habe ich den ganzen Bereich Dienste, Logistik und Informatik betreut. Damals musste ich mir überlegen, was es heisst, Chef zu sein. Der Schritt zum CEO ad interim war weniger gross.
Und der nächste Schritt, jener zum CEO der Hypi?
Wildi: Da ist überhaupt nichts entschieden, der Verwaltungsrat hat das offen gelassen. Die Verwaltungsräte wollen sich Zeit nehmen für die Nachfolge. Franz Renggli beispielsweise arbeitete 34 Jahren für die Bank und leitete sie 18 Jahre, während Jürg Ritz nur zweieinhalb Jahre bei uns tätig war. Wir sind Kontinuität und Langfristigkeit gewohnt, weshalb ein schneller Entscheid jetzt nicht Sinn macht. Die Arbeit haben wir auf viele Schultern vernünftig verteilt, auch in meiner Abteilung helfen alle mit, das Teamwork funktioniert. Alle sind sehr am Wohlergehen der Bank interessiert. Es ist spürbar, wie alle gerne hier arbeiten und keiner den anderen im Stich lässt - auch wenn man nicht immer gleicher Meinung ist.
Gab es keine Reaktionen von Aktionären, Mitarbeitern oder Kunden?
Wildi: Verblüfft hat mich, wie viele Mitarbeiter, auch Ehemalige, die jetzt in Zürich arbeiten, reagierten. Sie schickten spontan Mails, in denen sie gratulierten, was mich sehr gefreut hat. Kunden und Aktionäre würdigen vor allem den Verzicht auf einen Schnellschuss und anerkennen die rasche interne Zwischenlösung. Negative Reaktionen habe ich keine erhalten.
Ist die Finanzkrise ausgestanden oder fallen weitere Banken?
Wildi: Das glaube ich nicht, das System in der Schweiz ist wieder stabil. Aber die Krise ist noch nicht ausgestanden. Der Finanzbereich ist durch die Zurückhaltung der Kunden (Courtage-Einnahmen) stark betroffen. Als Hypothekarbank sind wir von der sinkenden Zinsmarge betroffen, haben jedoch wenig Kreditausfälle zu verkraften.
Wo sehen Sie die Zukunft der Hypi Lenzburg?
Wildi: Um am Markt zu bleiben, müssen wir unsere gelebte Kundennähe ausbauen, schnell sein sowie gute Qualität bieten. Das wichtigste sind deshalb gründlich ausgebildete Mitarbeiter und gute Arbeitsabläufe. Ich bin mehr Organisator als Verkäufer, ich werde nicht Hypotheken an die Interessenten bringen oder den Kunden die Ersparnisse anlegen. Hierfür haben wir Spezialisten unter der Verantwortung eines Kommerz- und eines Finanzdirektors.
Dann können Sie auch nicht sagen, wann die Hypothekarzinsen wieder ansteigen?
Wildi: Kurzfristig kaum, mittel- und langfristig wird dies durch die Nationalbankpolitik bestimmt. Sicher ist einzig, dass die Konkurrenzsituation weiterhin hart bleiben wird.