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Panorama
Mitten in der Corona-Krise verabschiedet sich «Tagesschau»-Moderatorin Katja Stauber. Wie sie die ungewöhnlichsten Tage ihrer Karriere erlebt. Warum die Zuschauerzahlen schon vor dem Virusausbruch zunahmen. Und wieso sie am 3. April nicht«Uf Wiederluege» sagen wird.
Sie haben wegen der Corona-Krise die wohl besten Quoten in Ihren 28 Jahren bei der «Tagesschau». Was für Gefühle weckt das bei Ihnen?
Katja Stauber: Zunächst hatte ich – wie sicher viele andere Menschen auch – noch gedacht, es handle sich um eine Krise wie BSE, Sars, Vogelgrippe oder Schweinegrippe. Inzwischen ist die Situation ja komplett anders. Nun werden weltweit Länder abgeriegelt, Millionenstädte unter Quarantäne gestellt, Notstand ausgerufen, Ausgangssperren verhängt und auch bei uns das gesamte öffentliche Leben lahmgelegt. Das ist eine einmalige Geschichte. Ich persönlich bin kein ängstlicher Mensch, aber ich verstehe, dass unter älteren Menschen und solchen, die Vorerkrankungen haben, grosse Verunsicherung oder Angst herrscht.
Wie hat sich das Virus auf Ihren Alltag ausgewirkt?
Ich halte mich strikt an die Weisungen des Bundesrates und der Mediziner. Der Bund macht das hervorragend. In meinem Beruf kann ich kein Home-Office machen, aber ich halte alle Massnahmen ein, um andere Menschen zu schützen. Dabei denke ich nie an mich, sondern – zum Beispiel – an meine Mutter und meine Schwiegermutter. An alle älteren Menschen, die geschützt werden müssen. Und ich habe null Verständnis für all die Uneinsichtigen, welche die Massnahmen noch immer nicht einhalten.
Welches war die letzte erfreuliche Nachricht, die Sie als «Tagesschau»-Moderatorin vermelden konnten?
Die erfreulichste Nachricht? (stöhnt) Da fällt mir gar nichts ein. Es hat sicher ab und zu etwas gegeben, was mich gefreut hat. Aber so spontan?
Vor der Pandemie sagten viele Menschen, sie würden schon gar keine Nachrichten mehr schauen, da sie all die Katastrophen, Kriege und Unfälle nur runterziehen würden.
Ja, das sagten die Leute, aber die Zuschauerzahlen belegen etwas anderes. Schon bevor das Corona-Virus zu uns kam, hatten wir so viele Zuschauer wie seit Jahren nicht mehr. In diesen Tagen sind es sogar 1,4 Millionen, das ist Rekord. Die Menschen haben ein – verständlicherweise – grosses Informationsbedürfnis, das wir mit der «Tagesschau» befriedigen – ohne Panik zu verbreiten. Ich verstehe aber auch, dass man manchmal von den vielen Krisen genug hat. Ich ertrage sie auch nicht immer.
Wann nicht?
Wenn ich frei habe, möchte ich auch mal etwas Schönes lesen oder schauen. Als ich mal was gesucht habe, ging ich bei Swisscom TV auf «meistgesehene Filme». Und dort stand «Rosamunde Pilcher» an erster Stelle. Was ich übrigens nie schaue! (lacht) Trotzdem ist es interessant, wie gross das Bedürfnis nach «heiler Welt» ist. Aber auch nach Krimis: Das Schlechte und Böse muss also auch eine gewisse Anziehung haben.
Wie erklären Sie sich den Erfolg der SRF-»Tagesschau?»
Es hat sicher auch mit dem Virus zu tun, aber vor allem auch mit unserer Seriosität und Verlässlichkeit. Vielleicht haben die Leute, die um halb acht unseren Sender wählen, genug von all dem zermürbenden Kurzfutter, mit dem wir den ganzen Tag hindurch bombardiert werden, und wünschen sich von uns eine Gewichtung und Einordnung. Die Schlagzeilen kennt man schon aus der Pendlerzeitung, dem Bus oder dem Handy, weiss aber sonst noch nichts. Zwar ist auch unsere Zeit beschränkt, aber wir können Ereignisse bewerten und Korrespondenten zuschalten.
Wann haben Sie erkannt, dass Nachrichten Ihr Ding sind?
Nicht so früh. Mit Mitte zwanzig. Ich habe mal eine Sendung gemacht, die «Persona» hiess. Ein Sommerquiz mit Prominenten fürs Schweizer Fernsehen. Der Komiker Otto, damals ein Superstar, war auch darunter. Das war nicht so meins. Ich finde Nachrichten spannender.
Wie interessiert sind Sie sonst an Unterhaltung, Kultur und Sport?
Berufsbedingt interessiert mich alles. Aber ich gehe nicht in Oper, Ballett oder Konzert. Das ist eine Zeitfrage, da ich abends oft im Einsatz stehe. Wenn ich mal pensioniert bin, werde ich das nachholen. Die Royals stehen bei mir schon jetzt hoch im Kurs. (lacht)
Ihr Partner Florian Inhauser kennt sich damit sicher aus?
Durch seine Zeit in London, natürlich. Er hat mir vom englischen Königshaus viel erzählt. Ich finde es faszinierend, wie diese Firma aufgestellt ist. Das hat mit Geschichte zu tun, ich hätte ja fast Geschichte studiert. Kürzlich habe ich eine Doku über das schwedische Königshaus gesehen, das war nach Flüchtlingen, Putin und Corona endlich wieder mal was Leichtes!
Sie haben Ihre Laufbahn bei Radio 24 begonnen. Was haben Sie von Ihrem damaligen Chef Roger Schawinski gelernt?
Ich habe bei ihm viel gelernt. Er hat einem alles abverlangt und war sehr streng. Wenn jemand ein Lied gespielt hatte, dass ihm nicht ins Konzept passte, oder in den Nachrichten etwas sagte, das er überhaupt nicht relevant fand, leuchtete eine rote Lampe. Ich bin vier Jahre durch dieses Stahlbad gegangen.
Nun nehmen Sie gleichzeitig vom SRF-Bildschirm Abschied: sie freiwillig, er unfreiwillig. Haben Sie mal darüber gesprochen?
Nein, wir sind uns nie begegnet, seitdem das bekannt ist. Ausserdem ist es ja ein reiner Zufall.
Vor der Kamera wirken Sie souverän und ausgeglichen. Was bringt Sie aus der Ruhe?
In der Zwischenzeit wenig, aber das liegt am Alter. Früher hat mich viel aus der Ruhe gebracht. Das hing sicher damit zusammen, dass ich eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern war. Das ist anstrengend. Wenn mich heute etwas aufregt, überlege ich mir: Regt mich das auch in einem Jahr noch auf? Oder erinnere ich mich gar nicht mehr daran? Oft ist es ja vollkommen unnötig. Aber manchmal braucht man ein Ventil. Als leidenschaftliche Autofahrerin kann ich mich super aufregen, wenn einer mit 30 auf der Seestrasse vor mir herschleicht! (lacht)
Sie werden am 3. April zum letzten Mal die «Tagesschau» moderieren. Welche Gefühle weckt dieser Gedanke?
Ich hatte lange Zeit, um emotional Abschied zu nehmen. Vor genau einem Jahr beschloss ich, mich für die freigewordene Stelle als Produzentin der «Tagesschau» zu bewerben. Ich dachte: Das ist die Chance, mit 57 noch einmal eine neue Herausforderung anzunehmen.
Werden Sie sich nach Ihrer letzten Moderation auch mit Ihrem «Uf Wiederluege» verabschieden, obwohl es kein Wiedersehen gibt?
Jetzt – in der Corona-Krise – bin ich das erste Mal umgeschwenkt auf: «Bliibed Sie gsund». Das meine ich auch so. Und wer weiss in der heutigen Zeit schon, was am 3. April ist? Vielleicht sieht man sich ja wieder?