Zweimal Mehlwurm-Burger, bitte

ST. GALLEN. Das Start-up «essento» entwickelt eine Zuchtbox, um Insekten für den privaten Verzehr zu kultivieren. Um rechtliche und kulturelle Hürden abzubauen, wollen sie am Montag die Parlamentarier auf den Geschmack bringen.

Noemi Heule
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«Fast wie normale Burger»: Die Jungunternehmer Christian Bärtsch, Matthias Grawehr und Stefan Schultze (von links) mit einem Insekten-Burger. (Bild: pd)

«Fast wie normale Burger»: Die Jungunternehmer Christian Bärtsch, Matthias Grawehr und Stefan Schultze (von links) mit einem Insekten-Burger. (Bild: pd)

«Mehlwürmer schmecken nussig, während Wüstenheuschrecken eher an Poulet und Ameisen an Zitronengras erinnern», sagt Matthias Grawehr. Der Mörschwiler ist Mitbegründer des Start-ups «essento». Dessen Name setzt sich zusammen aus essen und dem griechischen Wort für Insekten – und er ist Programm: Das Jungunternehmen will Insekten auf die Schweizer Teller bringen.

Zusammen mit den Studenten Stefan Schultze und Christian Bärtsch entwickelt der 25-Jährige eine Mehlwurm-Zuchtbox, mit der Insekten für den Privatverzehr kultiviert werden können. Langfristig wollen sie diese als Nahrungsmittel vertreiben. «Gegenüber Fleisch haben Insekten viele Vorteile», sagt Grawehr. Sie benötigten viermal weniger Nahrung und seien reich an Proteinen, Mineral- und Mikronährstoffen. «Für die Zucht wird zudem nur eine kleine Fläche benötigt, und es entstehen weniger Treibhausgase.»

Protein der Zukunft

Anstoss für die Gründung des Unternehmens war eine Studie der Food and Agriculture Organization. Gemäss dieser Studie kann die Weltbevölkerung im Jahr 2050 ihren Proteinbedarf nur decken, wenn auch Insekten gegessen werden. In einem Seminar von Euforia an der ETH anbot, konkretisierten sie die Idee und gründeten darauf die Firma. Grawehr studierte Internationale Beziehungen an der HSG. Bärtsch besucht momentan den Master in Volkswirtschaft, während Schultze an der ETH den Bachelor in Umweltingenieurswissenschaften abschliesst. Mit einem Design-Studenten arbeiten sie nun am Prototyp einer Zuchtbox für den Heimgebrauch.

Gesetzliche Vorgaben lockern

Unterstützt werden sie von «Innovate4climate», einer Plattform, welche unter anderen vom WWF getragen wird. Von ihnen erhielt das Start-up bereits 30 000 Franken. «Davon können wir uns einen geringen Lohn zahlen und das Projekt vorantreiben», sagt Grawehr. Er arbeitet momentan Vollzeit für das Unternehmen. Dazu gehört auch, sich politisch zu vernetzen, um die gesetzlichen Vorgaben für den Verzehr und Vertrieb von Insekten zu lockern. Diese dürfen zwar für den Eigengebrauch gesammelt, gezüchtet und gegessen werden; der Verkauf ist aber bis anhin verboten.

Mehlwürmer für Parlamentarier

Das Thema hat nun auch die nationale Politik erreicht. Die grünliberale Nationalrätin Isabelle Chevalley fragte in einer Interpellation nach den Gründen für diese rechtlichen Schranken.

In seiner Antwort argumentierte der Bundesrat, Insekten könnten möglicherweise giftige Substanzen enthalten, Allergien auslösen oder Krankheiten übertragen. Diese Begründung lassen sowohl «essento» als auch Chevalley nicht gelten: «Weltweit essen etwa zwei Milliarden Menschen Insekten», sagt Grawehr. Zudem würde jeder von uns jährlich etwa ein halbes Kilogramm Insekten verspeisen – in Form von Schokolade, Mehl, Ketchup oder unverhofft verschluckten Mücken.

Um die Parlamentarier von den Vorzügen der Insektenkost zu überzeugen, will Chevalley mit Unterstützung der drei Jungunternehmer am Montag im Bundeshaus ein Testessen veranstalten: Mehlwurm-Burger sollen die Volksvertreter auf den Geschmack bringen. Mit frischen Zutaten zubereitet und gut gebraten schmecken sie laut Grawehr «fast wie normale Burger».