Der Brustkrebskongress findet 2013 vorläufig zum letztenmal in St. Gallen statt. Nicolo Paganini, der Direktor der Olma Messen, spricht von einem enormen Verlust für die Region: Es gehe um einen zweistelligen Millionenbetrag. Der Kanton will sich um den Kongress bemühen.
«Wir haben wiederholt Reklamationen erhalten wegen der umständlichen Unterbringung», sagt Rolf Dubs, Präsident der Stiftung St. Gallen Oncology Conferences (Sonk), die den Kongress organisiert. In St. Gallen habe es längst nicht mehr genügend Hotelzimmer, um die Gäste zu beherbergen. Bis nach Zürich, Bregenz oder Bad Ragaz müssten sie chauffiert werden. «Das riesige Transportsystem ist unangenehm für die Gäste und obendrein teuer», sagt Dubs. 300 000 Franken – zehn Prozent des Gesamtbudgets – hat die Stiftung allein für Fahrdienste ausgegeben. Die Organisatoren befürchteten, der St. Galler Brustkrebskongress könnte von einem Konkurrenzangebot ausgebootet werden. Dafür habe es zwar noch keine Anzeichen gegeben, aber die Angst sei dagewesen. So habe die Stiftung «nach monatelangem Debattieren» beschlossen, zumindest für die Austragung 2015 nach Wien auszuweichen, um «den guten Ruf zu wahren». Der starke Franken habe den Entscheid zusätzlich bestärkt.
Begonnen hat die Geschichte des heutigen Brustkrebskongresses 1978 in Wildhaus mit 80 Teilnehmern. 1984 fand der Kongress erstmals in St. Gallen statt, mit 225 Fachleuten. Über die Jahre wuchs die Konferenz zum grössten Anlass der Schweizer Onkologie heran. 2009 kamen schliesslich 4800 Personen nach St. Gallen. Bereits 2011 reduzierte sich die Teilnehmerzahl aber auf 4500.
Ein idealer Kongressort sei eine nicht allzu grosse Stadt mit ausgebautem ÖV-Netz, grossem Kongresszentrum, touristischen Attraktionen – und genügend Hotelbetten, sagt Franco Cavalli, Organisator des zweitgrössten onkologischen Kongresses der Schweiz zu Lymphdrüsenkrebs. Er habe in Lugano dieselben Probleme wie die Sonk in St. Gallen. Vor fünf Jahren überlegte er sich, den Kongress ins Ausland zu verlegen. Davon abgesehen hat er, weil ihm die lokalen Behörden Unterstützung zusicherten. Seither leistet Lugano jeweils einen Beitrag von 100 000 Franken, stellt kostenlos ein riesiges Zelt zur Verfügung, gewährt 25 Prozent Nachlass auf die Mietkosten des Kongresszentrums und ermöglicht günstige ÖV-Abos. Zudem übe die Stadt Druck auf die Hoteliers aus, die Zimmerpreise an den Kongresstagen nicht mehr künstlich zu verteuern. In St. Gallen hätten die Behörden den Kongress wohl zu wenig unterstützt.
Rolf Dubs tut Cavallis Aussage als «dummes Zeug» ab. «St. Gallen hat uns nicht im Stich gelassen.» Die Stadt hätte die Abwanderung des Brustkrebskongresses selbst mit Subventionen nicht verhindern können. «Wir brauchen Betten, kein Geld.» Der Anlass sei der Stadt schlicht «entwachsen». Und da derzeit nicht abzusehen sei, wann die geplanten Hotels realisiert werden, habe die Stiftung keine andere Wahl gehabt, als sich umzuorientieren.
Der Wegzug des Brustkrebskongresses sei ein herber Schlag für die Region. «Schade um das Image des Standorts und den volkswirtschaftlichen Erfolg», sagt Nicolo Paganini, Direktor Olma Messen St. Gallen. Die 4500 Kongressteilnehmer und deren Begleitpersonen brächten grob geschätzt einen zweistelligen Millionenbetrag ein. Zudem sei die Abwanderung der Veranstaltung ein «riesiger Verlust» für die Olma Messen. Wie hoch der Malus «unseres wichtigsten Kongresses» sei, will er nicht sagen. Wie zentral die Veranstaltung ist, zeigt aber, dass Paganini im Verbund mit andern Leistungsträgern und der öffentlichen Hand bereit gewesen wäre, mit der Stiftung über einen Preisnachlass zu diskutieren, hätte sie den Kongress in St. Gallen belassen. «Jetzt müssen wir erst recht in die Infrastruktur investieren», sagt er und meint das «Conference Center 6» auf dem Gelände der ehemaligen Olma-Halle 7, um das ein Rechtsstreit entbrannt ist. «Wir werden ansonsten je länger, je weniger glaubwürdig als Kongressort.» Er hofft, dass es mit dem Hotel nun vorangeht.
«Gemeinsam mit Stadt und Olma Messen werden wir alles versuchen, um den Kongress für 2017 zurückzugewinnen», sagt Peter Kuratli, Leiter Amt für Wirtschaft und Arbeit. Das Problem der Hotelsituation gelte es nun zu lösen. Die Realisierung des Olma-Hotels sieht er als Meilenstein. «Baukrane wären ein gutes Symbol für die Stiftung Sonk.» St. Gallen wolle sich als Kongressort weiterhin etablieren. «Abgesehen von den Hotels haben wir eine gute Infrastruktur.» Jeanette Herzog