Kommentar
Wenn man draussen nicht mehr rauchen darf, geht die staatliche Fürsorge zu weit

In fünf Herisauer Buswartehäuschen ist das Rauchen neuerdings untersagt. Diese Regelung ist nicht durchdacht. Und: Sie geht zu weit.

Linda Müntener
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Die Bodenmarkierung macht unmissverständlich klar: Rauchen ist hier unerwünscht – auch wenn nebenan ein Abfalleimer mit Aschenbecher steht. (Bild: Benjamin Manser)

Die Bodenmarkierung macht unmissverständlich klar: Rauchen ist hier unerwünscht – auch wenn nebenan ein Abfalleimer mit Aschenbecher steht. (Bild: Benjamin Manser)

Wer in Herisau bei Wind und Wetter auf den Bus wartet und noch kurz eine Zigarette rauchen will, hat Pech gehabt. Neuerdings ist das Qualmen unter den fünf meist benutzten Personenunterständen untersagt – auch wenn dort ein Abfalleimer mit Aschenbecher steht. Blaue Markierungen am Boden machen unmissverständlich klar: Raucher sind hier unerwünscht.

Diese Regelung provoziert. Die Raucher fühlen sich zurückgedrängt. Erst hat man sie aus den Restaurants verbannt, aus den Bars und den öffentlichen Gebäuden. Dann pfercht man sie am SBB-Perron in ein paar Quadratmeter grossen Bereichen zusammen, und nun vertreibt man sie auch noch von den Bushaltestellen. «Jetzt hört’s dann aber auf», protestieren sie, am Strassenrand und vor den Hintereingängen - wo sonst können sie sich noch in Ruhe eine Zigarette anzünden? Man möchte ihnen ein Feuerzeug reichen und sagen: Recht habt ihr!

Was kommt als nächstes? Rauchverbot auf Trottoirs?

Linda Müntener, Redaktorin Online.

Linda Müntener, Redaktorin Online.

Rauchverbote sind der Volksgesundheit zuträglich, ohne Zweifel. Ohne den Tabakkonsum würden wir alle länger und – zumindest medizinisch gesehen – besser leben. Ganz zu schweigen von der Umwelt, die unter dem Littering leidet. Das bestreiten selbst Kettenraucher nicht. Doch wenn die Fürsorge des Staates für seine Bürgerinnen und Bürger so weit geht, dass Leute im Freien nicht mehr rauchen dürfen, geht sie zu weit. Was kommt als nächstes? Rauchverbot in der Innenstadt? Rauchverbot auf Trottoirs?

In welche Richtung es gehen könnte, zeigte ein Vorstoss im eidgenössischen Parlament. Die Waadtländer GLP-Nationalrätin Isabelle Chevalley wollte vom Bundesrat wissen, ob ein Rauchverbot am Steuer auf dem Verordnungsweg eingeführt werden könnte. Der Bundesrat lehnte das Ansinnen ab. Aber die Idee ist damit auf dem Tisch – und wird wohl weitere Anhänger finden. Ein Rauchverbot in den eigenen vier Wänden? Ein grundsätzliches Verbot für Tabak? Der Weg wäre nicht mehr weit zu solch prohibitiven Massnahmen.

Karriere könnte die Herisauer Variante des Rauchverbots machen, gerade weil sie so harmlos wirkt. Dabei ist die Lösung alles andere als durchdacht. Wie sie umgesetzt werden soll, weiss niemand so genau. Denn, und jetzt wird’s schweizerisch grundsätzlich: Im Prinzip ist ein Buswartehäuschen ein öffentliches Gebäude und im Prinzip sind solche per Bundesgesetz rauchfrei. Grundsätzlich muss man sich also an das Verbot halten. Bussen verteile man aber keine, heisst es von der Gemeinde Herisau. Dafür brauchte es eine rechtliche Grundlage. Das Rauchverbot sei eine freiwillige Massnahme, eine freundliche Aufforderung, die auf Selbstkontrolle beruhe. Wozu dann ein Verbot?

Auch Raucher müssen Rücksicht nehmen

Keine Frage, die Raucher müssen sich zunächst selber an der Nase nehmen. Es ist nicht mehr als anständig, den Mitmenschen den Rauch nicht direkt ins Gesicht zu blasen. Und wer seinen Glimmstängel auf den Boden, ins Gleisbett oder in die Wiese wirft, ist genauso ignorant wie jener Nichtraucher, der sich im Rathaus klammheimlich über die Raucher an der Bushaltestelle beschwert, anstatt sie einfach anzusprechen. Oder ein paar Meter zur Seite zu gehen, wenn er sich gestört fühlt.

Damit Nichtraucher und Raucher friedlich nebeneinander auf den nächsten Bus warten können, braucht es keine Verbote und keine Hinweisschilder am Boden, sondern Toleranz und gegenseitige Rücksichtnahme. Die Stigmatisierung und Bevormundung eines Viertels der Bevölkerung bewirkt das Gegenteil.

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