Mathias Müller wohnt mit seiner Familie in einer umgenutzten Bäckerei in Lichtensteig. Er gewährt einen intimen Einblick in seine vier Wände.

Video: Sarah Wagner

Wakker-preis
Altholz, Kisten und eine Katzenmumie: Wie Lichtensteigs Stadtpräsident eine alte Bäckerei zu seinem neuen Zuhause machte

Wie wohnt Lichtensteigs Stadtpräsident Mathias Müller? Aus Anlass der Wakker-Preise-Verleihung öffnete er seine privaten Räume, um aufzuzeigen, wie der Brückenschlag zwischen historischer Bausubstanz und modernem Wohnkomfort gelingen kann.

Andrea Häusler
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Stadtpräsident Mathias Müller auf der alten Holztreppe seines umgebauten Hauses am Rand der Lichtensteiger Altstadt.

Stadtpräsident Mathias Müller auf der alten Holztreppe seines umgebauten Hauses am Rand der Lichtensteiger Altstadt.

Bild: Andrea Tina Stalder

Sprossenfenster, gedrechselte Treppengeländer, Holzdielenböden – im Erdgeschoss eine moderne Inselküche, darüber ein fliesenloses Bad: In der dreigeschossigen Wohnung des Lichtensteiger Stadtpräsidenten Mathias Müller treffen der Charme der Vergangenheit und die Ansprüche an modernes Wohnen aufeinander, vereinen sich in einer zeitlosen, exklusiven Ästhetik. Seit zwei Jahren wohnt der 40-Jährige mit seiner Frau Katrin und den drei Kindern in der 160-jährigen Altliegenschaft am Lederbachweg.

Die Liegenschaft – hier im Umbau – beherbergte früher die Bäckerei Hollenstein. Im Zuge des Umbaus wurden drei Wohnungen realisiert.

Die Liegenschaft – hier im Umbau – beherbergte früher die Bäckerei Hollenstein. Im Zuge des Umbaus wurden drei Wohnungen realisiert.

Bild: PD

Wenn er nun anlässlich der Wakker-Preis-Verleihung die Tür zu seinem Zuhause öffnet, tut er dies, um Bauherren und Grundeigentümern die Potenziale historischer Gebäude aufzuzeigen, zu inspirieren und zu animieren. Denn in der preisgekrönten Altstadt gibt es verschiedene Altobjekte, die eine neue Zukunft verdienten. Wobei Mathias Müller betont, dass sich diesbezüglich durchaus einiges tue. Für gleich zwei Gebäude sei aktuell eine Sanierung in Planung. Die Gemeinde, sagt er, könne mit Initiativen wie dem «Bauerneuerungsprogramm», einem niederschwelligen Beratungsangebot für Liegenschaftseigentümer, Anreize schaffen, doch liege die Umsetzung konkreter Projekte letztlich allein bei den Liegenschaftseigentümern.

Liegenschaftsbesitzer mit 26 Jahren

Mathias Müller hat die Liegenschaft am östlichen Eingang zur Altstadt vor fast 15 Jahren aus einer Erbschaft gekauft – als 26-jähriger Gemeindeschreiber. «Ich sah die Geschichte des Hauses und das Potenzial», sagt er, «aber auch den günstigen Preis.» Dass er das Gebäude mit der ehemaligen Bäckerei im Erdgeschoss und der darüberliegenden Wohnung dereinst selbst bewohnen würde, war damals nicht angedacht. Erst vor gut fünf Jahren wurde das Thema aktuell. Nicht nur, weil Müller inzwischen Stadtpräsident, Ehemann und Vater war, sondern weil die langjährige Mieterin, eine Italienerin, 80-jährig in die Heimat zurückgekehrt war.

Katzenmumie entsorgt

Müller sitzt im Esszimmer, dem zentralen Treffpunkt der Familie. Der Tisch, ein ehemaliger Beizentisch, schafft wiederum den Bezug zur Vergangenheit. Sein Blick ist zur restaurierten Treppe und den Stützpfeilern gerichtet, an denen Fotos, Ansichtskarten und Kinderzeichnungen hänge. «Leider war der Zustand vieler Balken zu schlecht, um sie zu erhalten», sagt er. Stattdessen seien Bretter aus dem Dachgeschoss in neuem Mobiliar wiederverwertet worden. Ein Beispiel dafür ist der Waschtisch im Bad, dessen Unterbau aus Altholz gefertigt ist.

Gruseliger Fund im Dachgeschoss: Während des Umbaus wurde eine mumifizierte Katze entdeckt.

Gruseliger Fund im Dachgeschoss: Während des Umbaus wurde eine mumifizierte Katze entdeckt.

Bild: PD

Ohnehin, sagt Müller, sei der Dachstock eine wahre Fundgrube gewesen. Kisten, in denen früher Lebensmittel aufbewahrt wurden, seien zu finden gewesen. Und schliesslich, was fast gruselig anmutet, war da eine mumifizierte Katze. Vermutlich sei sie in einen Hohlraum der Wand geschlüpft und habe nicht mehr herausgefunden. Sie weiter zu konservieren, war für Müllers allerdings keine Option: «Wir haben sie entsorgt.»

Einzigartig und nahe am Puls

Ein so altes Gebäude zu renovieren und drei Wohnungen einzubauen, ist kein Spaziergang. Das gibt Mathias Müller unumwunden zu. «Es ist ein längerer Prozess, der aufgrund der baulichen Begebenheiten und denkmalpflegerischer Anliegen Kompromisse verlangt und auch Mehrkosten verursacht.» Der permanente Austausch trage jedoch Wesentliches zu jenen individuellen Lösungen und kreativen Konzepten bei, welche die besondere Wohnatmosphäre in alten Bauten ausmachten.

Beim waren Kompromisse einzugehen. Stadtpräsident Mathias Müller nennt dabei die eher tiefen Raumhöhen.

Beim waren Kompromisse einzugehen. Stadtpräsident Mathias Müller nennt dabei die eher tiefen Raumhöhen.

Bild: PD

Diese Einzigartigkeit ist es denn auch, die Müllers an ihrem Zuhause so lieben. Hinzu kämen die Vorteile der zentralen Lage und die nachbarschaftliche Nähe, welche spontane Begegnungen ermöglichten. «Man ist Teil des Stadtlebens, was für mich nicht nur in der Funktion des Stadtpräsidenten wichtig ist, sondern auch persönlich.»

Hoffnung auf anhaltenden Drive

Dass dieses Stadtleben pulsiert, erfordert auch in Lichtensteig permanente Anstrengung. Bei der Wakker-Preis-Jury gut angekommen ist die Strategie des Ortes, über den Erhalt der (städtebaulichen) Ausstrahlung hinaus auf Umnutzungsprojekte wie das «Stadtufer» auf dem stillgelegten Fein-Elast-Areal, Innovationen wie die ChääsWelt Toggenburg oder das «Macherzentrum Toggenburg» zu setzen.

Lichtensteig biete aber Raum für weitere Ideen, sagt Mathias Müller. Solche braucht es auch, um den angestossenen Prozess am Laufen zu halten: Denn da ist beispielsweise die Migros-Klubschule, die ihren Standort geschlossen hat; oder das Möbelhaus Bleiker, das sich aus der Innenstadt zurückzieht.

Ein Anliegen ist dem Stadtpräsidenten auch die Gastronomie, deren Existenz von der Publikumsfrequenz abhängt. Er hofft daher, dass der Wakker-Preis, den Lichtensteig für seine kreativen Antworten auf die Abwanderung von Industrie und Gewerbe sowie die drohende Entleerung der Altstadt erhalten hat, eine gewisse Magnetwirkung hat. Und dass das Städtli über das Jahr der Preisverleihung hinaus vom ausgelösten «Drive» profitieren kann.