SAC will toten Rassisten entehren

Dem Rassentheoretiker und Gletscherforscher Louis Agassiz soll die Ehrenmitgliedschaft im Schweizerischen Alpenclub aberkannt werden. Dafür will sich die St. Galler Sektion beim Zentralverband einsetzen.

Roman Hertler
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ST. GALLEN. Er starb vor über 100 Jahren und kommt noch immer nicht zur Ruh. Louis Agassiz (1807–1873), ein bekannter Glaziologe aus dem freiburgischen Haut Vully, war nicht nur für seine alpinen naturwissenschaftlichen Forschungen bekannt. In den USA trat er mit Rassentheoretikern, Schädelvolumenforschern und Sklavenhaltern in Kontakt und übernahm deren Ansichten. «Rassenreinheit» war ihm hohes Gut, Vermischung ein «kultureller Abstieg».

Eine Person mit solcher Gesinnung wollen einige beim Schweizerischen Alpenclub (SAC) nicht in der Liste ihrer Ehrenmitglieder eingereiht wissen. Die St. Galler Ortssektion hat am Donnerstag an ihrer Hauptversammlung beschlossen, beim SAC Schweiz zu beantragen, Louis Agassiz die Ehrenmitgliedschaft abzuerkennen.

Linker blitzt bei Berglern ab

Eingebracht wurde der Antrag von einem SAC-Mitglied, das nicht oft an Hauptversammlungen der Alpinisten anzutreffen ist. Hans Fässler ist Historiker und Kantilehrer in Trogen. Seine Aktivzeit am Berg hat er hinter sich. Dafür engagiert er sich seit Jahren für die geschichtliche Aufarbeitung des Rassismus in der Schweiz. Dabei ist er auf den Freiburger Glaziologen gestossen, nach dem im Berner Oberland, an der Grenze zum Wallis, ein Berg benannt ist: Das Agassizhorn (3946 m ü. M.).

2007, als vielerorts des 200. Geburtstags des «berühmten Naturforschers» gedacht wurde, lancierte Fässler die Kampagne «Démonter Agassiz». Er wollte ihm den Berg «wegnehmen». Der Beinahe-Viertausender sollte umgetauft werden, und zwar in «Rentryhorn», benannt nach einem Sklaven aus Kongo, den Agassiz in den USA fotografierte und anhand dessen er die Unterlegenheit der «schwarzen Rasse» belegen wollte. Doch Fässlers Anliegen scheiterte beim Bundesrat, im Parlament und vor allem am Widerstand der Gemeinden Grindelwald, Guttannen und Fieschertal. Die Bergler wollten sich nicht von einem «linken Städter» vorschreiben lassen, wie sie ihre Berge zu nennen haben.

Demokratische Debatte

Der Antrag zur Aberkennung von Agassiz' SAC-Ehrenmitgliedschaft ist ein weiterer Versuch Fässlers, den Gletscherforscher historisch ins rechte Licht zu rücken. Die St. Galler Sektion sprach sich denn auch mit 49 zu 34 Stimmen bei 16 Enthaltungen für Fässlers Antrag aus. «Das hat mich sehr gefreut», sagt Fässler. Viele hätten schon von seiner «Démonter Agassiz»-Kampagne gehört, einige seien auch etwas überrascht gewesen, als da plötzlich ein wenig bekanntes Clubmitglied das Wort ergriff und mit einem derart politisch aufgeladenen Thema aufwartete.

Der Sektionspräsident Marcel Halbeisen spricht von einer kurzen, aber intensiven Debatte. Die Gegner von Fässlers Antrag hätten nach dem Nutzen eines solchen Vorgehens gefragt und ob es wirklich nötig sei, eine derart unschöne Geschichte nach so langer Zeit wieder aufzuwärmen. Alle Votanten verurteilten zwar das rassistische Gedankengut Agassiz', einige äusserten aber Bedenken darüber, dass der politisch neutrale Alpenclub sich politisch äussern soll.

Einreichefrist verpasst

Dieses Argument wollte Fässler nicht gelten lassen: «Einem Mann symbolisch die Ehre wegzunehmen, dessen ideologischer Rassismus oft kaum von demjenigen Hitlers zu unterscheiden ist, hat weniger mit Politik zu tun als mit Anstand und Moral.»

Die Einreichefrist für Anträge an den SAC Schweiz für die diesjährige Hauptversammlung hat die St. Galler Ortssektion um vier Tage verpasst. Daher wird Agassiz' Ehrenmitgliedschaft erst 2017, quasi zu seinem 210. Geburtstag, traktandiert.