Steueramt ist nicht gleich Steueramt. Für den Bezug der Staats- und Gemeindesteuern gelangen heute Programme von vier verschiedenen Anbietern zur Anwendung. «Zu aufwendig und zu teuer», finden die sieben Erst- und 89 Mitunterzeichnenden der Motion «Einheitliche Software für Kanton und Gemeinden». Der Regierungsrat pflichtet dem bei und steht einer Vereinheitlichung positiv gegenüber.
Der Bezug der Staats- und Gemeindesteuern erfolgt durch die Gemeinden. Nur die direkte Bundessteuer wird von der kantonalen Steuerverwaltung eingezogen (und an den Bund weitergeleitet). Zur Erfüllung dieser Aufgabe kann heute jede der 80 Thurgauer Gemeinden eine eigene Software beschaffen, weiterentwickeln und ablösen. Darin liegt der Hauptgrund, dass heute vier Applikationen verschiedener Systemanbieter im Einsatz sind. Das führt naturgemäss zu komplizierten und teuren Schnittstellen in der Datenkommunikation mit dem Kanton.
«Das Steuerwesen im Kanton Thurgau ist heute eine Verbundaufgabe zwischen Kanton und Gemeinden und soll es auch in Zukunft bleiben», halten die sieben Erstunterzeichnenden der Motion «Einheitliche Software für Kanton und Gemeinden» fest. Allerdings soll die Zusammenarbeit im Bereich Registerführung, Steuerveranlagung und Steuerbezug effizienter und digitaler werden. Das geht aber nur durch Vereinheitlichung.
«Der Kanton Thurgau ist der einzige Kanton schweizweit, bei dem die kantonale Steuerverwaltung Steuersoftware-Produkte von mehreren Anbietern im Einsatz hat», halten die Motionäre fest. Zur Sicherstellung des Datenaustausches zwischen Kanton und Gemeinden seien daher unendlich viele Schnittstellen nötig, um die Gemeinde- und die Software der Steuerverwaltung kompatibel zu machen. «Das macht das Ganze anfällig, komplex und teuer.»
Mit ihrem Vorstoss wollen die Motionäre deshalb den Regierungsrat mit der Schaffung der gesetzlichen Grundlagen beauftragen, «damit die kantonale Steuerverwaltung eine einheitliche Steuersoftware für die Steuerverwaltung und alle 80 Gemeinden des Kantons Thurgau beschaffen und betreiben kann».
Augenfällig bei diesem Vorstoss ist, dass sechs der sieben Motionäre eine politische Gemeinde präsidieren und sie zugleich die sechs grössten Fraktionen im Grossen Rat vertreten. An der Spitze der Erstunterzeichner steht überdies Kurt Baumann (SVP). Der Gemeindepräsident von Sirnach ist gleichzeitig Präsident des Verbandes Thurgauer Gemeinden (VTG). Der Vorstoss kommt also aus der konkreten Steuerpraxis und nicht aus einem politisch-technokratischen Hinterzimmer. Das hat Gewicht.
Viel Gewicht müssen die Motionäre allerdings gar nicht auf die Waage bringen. «Das Motionsanliegen zur Beschaffung und zum Betrieb einer einheitlichen Steuersoftware für den Kanton und die Gemeinden ist zu unterstützen, weil damit Effizienzgewinne realisiert und administrative Kosten gesenkt werden können», hält der Regierungsrat in seiner Beantwortung fest. Die Umsetzung der Motion sei sachlich auf den Bereich der Staats- und Gemeindesteuern sowie der direkten Bundessteuer festzulegen. «Zugunsten der Rechtssicherheit und angesichts der verpflichtenden Wirkung auch betreffend die Gemeindesteuern ist eine Norm auf Gesetzesstufe erforderlich», hält der Regierungsrat weiter fest.
Die Motionäre sind der Auffassung, dass die Finanzierung einer neuen Software durch die kantonale Steuerverwaltung das Projekt schneller ans Ziel führen würde. Ebenso sollen die Gemeinden für allfällige Umstellungskosten entschädigt werden. Der Regierungsrat sieht das ähnlich. «Soll der Kanton für die Beschaffung und den Betrieb einer einheitlichen Software verantwortlich sein, liegt es auch beim Kanton, über die zu verwendende Lösung zu entscheiden und die Kosten zu tragen.» Da die Gemeinden dadurch «signifikant und nachhaltig» entlastet würden, sei im Gegenzug die Mitwirkungsentschädigung zu reduzieren. Der Umfang der Reduktion wäre im Zuge der Beschaffung festzulegen. Zugunsten einer raschen Realisierung des Motionsanliegens wäre der Kanton bereit, sich an den einmaligen Umstellungskosten der Gemeinden zu beteiligen, sofern auf einer Gemeinde ein neues System eingeführt werden müsste. Die laufenden Kosten nach der Umstellung wären von Kanton und Gemeinden gemäss einem festzulegenden Kostenteiler zu tragen.
«Im Kanton St.Gallen tragen der Kanton und die Gemeinden die Kosten bei vergleichbarer Lage beispielsweise je zur Hälfte», nennt der Regierungsrat als Beispiel. Und er hält fest: «Eine einheitliche Steuersoftware würde aufgrund der Effizienzgewinne und der reduzierten Anzahl Schnittstellen längerfristig zu massiven Einsparungen beim Kanton und den Gemeinden führen.»
Der Blick in die Praxis zeigt die Problematik anschaulich: Die Daten der kommunalen Einwohnerregister werden via Schnittstellen an das kantonale Personen- und Objektregister geliefert. Dieses übermittelt die Daten an die Veranlagungs- und Bezugsapplikationen der kantonalen Steuerverwaltung zur Bildung der Personen- und Steuerpflichtregister. Gleichzeitig beliefern die kommunalen Personen- und Steuerpflichtregister die lokal eingesetzten Softwarelösungen zur Bildung der jeweiligen Register und Steuerpflichten. Die Steuerpflichten und die im Kanton sekundär steuerpflichtigen Personen werden zusätzlich mittels einer separaten Schnittstelle an die kantonale Veranlagungssoftware geliefert.
Jedes Register verursacht einen erheblichen Kontroll- und Bereinigungsaufwand, weil die Register mehrfach geführt werden (Gemeinde, Kanton Veranlagung, Kanton-Bund). Hinzu kommt, dass gewisse Synergien durch die dezentralen Registerführungen erschwert oder verunmöglicht werden, zum Beispiel der Austausch von Faktoren zwischen den Gemeinden bei einem Wohnortswechsel innerhalb des Kantons.
Nach der Veranlagung einer natürlichen Person mit der kantonalen Veranlagungssoftware werden die Steuerfaktoren der Staats- und Gemeindesteuern mittels Schnittstellen an die vier Gemeindeapplikationen und die Bezugslösung für die direkte Bundessteuer transferiert. Danach wird der Steuerbezug für die Staats- und Gemeindesteuern durch die kommunalen Bezugsbehörden fortgesetzt, für die direkte Bundessteuer durch den Kanton. Die vier Applikationen auf kommunaler Ebene verursachen einen hohen Entwicklungs- und Schnittstellenaufwand. Dieser wird dadurch verschärft, dass der Kanton Thurgau der einzige Kanton ist, der für die Veranlagung und den Bezug der Steuern drei Hauptsoftwarelösungen im Einsatz hat.