«Monteure waren die Könige, weil sie die Maschinen zum Laufen brachten.» Erwin Tobler erzählt von seinem Leben in der Textilindustrie

Stickermeister Erwin Tobler berichtet im Historisches Museum über sein spannendes Leben in der Textilindustrie. Selber stickt er heute noch Sujets - so etwa Heiligenbildchen und Glückwunschkarten

Margrith Pfister-Kübler
Drucken
Stickermeister Erwin Tobler liess im Historischen Museum die Stickereigeschichte aufleben.

Stickermeister Erwin Tobler liess im Historischen Museum die Stickereigeschichte aufleben.

Bild: Margrith Pfister-Kübler

Reservestühle mussten gefasst werden am Eingang zum Erzählcafé des Historischen Museums Thurgau im Schloss Frauenfeld. Es waren vorwiegend Männer und Frauen, die ihren Arbeitsalltag längst in einen Pensionierungalltag umgewandelt haben, die sich für die Stickereiepochen interessierten.

Persönliche Erinnerungen «aus dem Fabrikalltag» für nachfolgende Generationen bewahren, das hat sich das Historische Museum als Aufgabe gestellt. Und das kommt an. Referent Erwin Tobler aus Götighofen hat eine historische Stickmaschine mitgebracht, viel Bildmaterial in Szene gesetzt, Stickereien und Bücher ausgelegt. Sein Leben – er ist Jahrgang 1952 – ist eng mit der Stickerei verzwirnt.

Die Knöpfe an seinem schwarzen Hemd sind mit St.Galler Stickereien verziert. Er lacht: «Ja, solche Sujets sticke ich noch heute, sogar Heiligenbildchen und Glückwunschkarten.» Tobler duzt alle Besucher, das sei bei den «Rhytalern» so üblich; er ist in Altstätten aufgewachsen. Man sagt Erwin Tobler nach, er habe Stickerei im Blut. Er zeigt sich dankbar, dass er als Bub Kinderarbeit leisten durfte. Das habe sein ganzes Leben geprägt.

Mit der Schule habe er es nicht «so gehabt»

Tobler nimmt das Publikum mit auf seine ganz private Lebensreise. Beginnt mit der Zeit, als er bei der Grossmutter, die abends an der Stickmaschine Heimarbeit leistete, auf dem Boden bei der Stickmaschine sass. Als Symbol hat er einen grossen Teddybär neben die Maschine gesetzt: «Das wäre ich», sagt er.

Durch die Beobachtung, wie all die Rädchen, Schiffchen und sonstige Teilchen funktionieren, startete seine Laufbahn. «Zwei Drittel der Kinder mussten helfen», betont Tobler. Mit der Schule habe er es nicht «so gehabt», die Eltern haben tagsüber «buuret», abends in Heimarbeit gestickt.

«Und mein Grossvater war noch Handaufleger und Metzger.»

Durch das Mitarbeiten als Kind und das Beobachten der Maschinenfunktionen habe er gelernt: «Im Leben ist alles ganz logisch.» Eigentlich wollte er Skirennfahrer werden. Der älteste Bruder arbeitete schon bei Saurer. Dann habe die Mutter dort angerufen: Sie habe noch einen Sohn. Die Antwort habe gelautet:

«Jo, bringet sie ihn nu.»

Seine Erinnerungen sprudelten heraus, wie er nach der Lehre als Maschinenmonteur bei Saurer Arbon Akkord arbeitete. «Mit 18 Jahren hatte ich schon 1100 Franken im Lohntütli. Mit Schaffen konnte man richtig Geld verdienen.»

Tobler berichtet von seinen Erlebnissen

Abenteuerliches erzählte er von seinen Monteureinsätzen in fernen Ländern, wo die Monteure hoch geschätzt waren.

«Monteure waren die Könige, weil sie die Maschinen zum Laufen brachten.»

Wurde die Arbeit nicht gut gemacht, durfte der Monteur nicht ausreisen. Heimweh, Fernweh, Liebe, Hochzeitsreise, Velounfall, Ausbildung zum Stickermeister bis zu den technischen Entwicklungen, alles liess er aufleuchten. Auch wie durch den Einsatz moderner Maschinen Arbeitsplätze und Heimarbeit der Frauen «liquidiert» wurde.

Die Erwartung von Historikerin Petra Hornung, dass im Publikum ehemalige Fabrikarbeiter, Industrieangestellte, Patrons und Unternehmerinnen aus ihrem Berufsleben erzählen, wurde nicht erfüllt. Bleibt die Hoffnung: Vielleicht klappt’s beim nächsten Erzählcafé .