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Matthias Müller kommt mit seinem Leben trotz Sehbehinderung gut zurecht. Der 25-Jährige spielt Fussball, ist Präsident der Bürgermusik Ettenhausen und steht nun vor seinem Hochschulabschluss.
Die dunkel eingefärbte Brille ist äusserlich das Auffälligste beim Anblick des sympathischen jungen Mannes, sozusagen dessen Markenzeichen. Darauf wird er denn auch immer wieder angesprochen, zumal der Guntershauser die Augengläser im Alltag stets auf sich trägt, ob im Beruf oder beim Sport. Eine Macke ist es natürlich nicht. Und schon gar nicht ein Modegag oder das Bestreben, sich einen Anstrich von Extravaganz zu verleihen. An Hänseleien oder gar Kränkungen musste er sich in seiner Kindheit hingegen gewöhnen, heute aber nicht mehr.
Wird Matthias Müller auf die Besonderheit angesprochen, so ziert er sich nicht um eine Antwort:
«Ich habe eine Sehbehinderung, genannt Achromatopsie, die meine Sehkraft auf zehn Prozent reduziert und zudem eine totale Farbblindheit beinhaltet. Ich kann nur schwarz und weiss sowie Grautöne sehen.»
Zum Lesen und Fernsehen muss er denn auch nahe an die Vorlage rücken. Die Sonnenbrille trägt er, weil er zudem stark lichtempfindlich ist. Ursache ist ein Gendefekt, der wenige Wochen nach seiner Geburt festgestellt worden ist. Davon betroffen ist nur jeder Hunderttausendste. Eine erfolgreiche Therapie ist bisher nicht in Sicht.
Es ist zweifellos kein leichtes Los, mit diesem Schicksal umzugehen. Wie jedoch Matthias Müller im Alltag mit der Behinderung fertig geworden ist, verdient allen Respekt. Er hat im Laufe der Zeit gelernt, mit dem Defizit umzugehen, und Strategien entwickelt, die Beeinträchtigung möglichst klein zu halten oder gar zu umgehen. «Es ist ein Glück, im digitalen Zeitalter aufgewachsen zu sein, denn der Laptop im Beruf und das Handy für den privaten Gebrauch waren und sind immer noch eine nützliche Unterstützung», sagt Müller.
Nach der Volksschulzeit in Guntershausen und Aadorf absolvierte er eine Lehre als Konstrukteur im AZW, um danach Maschinentechnik an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur zu studieren. Kommenden Juli wird er die vierjährige Ausbildung mit dem Bachelor abschliessen. Ob sich daran eine Übergangslösung bei Siemens Mobility in Wallisellen anschliesst, wo der Werkstudent ein Praxislehrjahr verbrachte, bleibt vorderhand offen. Die Zuversicht, dass sich eine weitere Türe öffnen wird, ist jedenfalls vorhanden.
Der berufliche Werdegang ist das Eine. Auch privat steht Matthias Müller seinen Mann. Kollegen und Freunde schildern ihn als loyal, konziliant, zuverlässig und einfühlsam. Er lasse auch gegenteilige Meinungen gelten, heisst es. Es sind also Eigenschaften, die ihn, der seit 15 Jahren Flügelhorn spielt und Gründungsmitglied des Jugendorchesters JOE gewesen ist, zum Präsidenten der Bürgermusik Ettenhausen stempelten. Dieser gehört er schon über zehn Jahre an, wovon seit drei Jahren an der Spitze. Er spürt die Akzeptanz von Jung und Alt. Zudem betrachtet er die Führungsarbeit als Lernprozess.
Mit ebenso viel Spass wie an der Musik widmet er sich dem Fussballsport, seiner zweiten grossen Leidenschaft: Auch dort hat er eine Heimat gefunden. «Mit zwölf Jahren trat ich dem SC Aadorf bei, spielte bei den C-, B- und A-Junioren, bevor ich zu den Aktiven wechselte.» Akzeptanz und ein gutes soziales Umfeld finde er auch in diesem Verein vor. «Im SCA komme ich zu Einsätzen in der zweiten und dritten Mannschaft. Ein gutes Stellungsspiel sowie eine ansprechende Kondition sind meine Stärken.»
Hohe Bälle seien allerdings für seine Auge nur schwer zu berechnen, was die Mitspieler wissen und ihn deshalb flach anzuspielen versuchen, erzählt er weiter.
«Auch wenn ich meist nur als Einwechselspieler aufs Feld geschickt werde, zeige ich stets grossen Einsatz und versuche alles, um der Mannschaft zu helfen.»
Zudem sei es auch so, dass man sich dem Trainer selbst in unteren Ligen nur mit guten Leistungen empfehlen könne.
Anschauungsunterricht auf höchster Ebene pflegt er hingegen als Liverpool-Fan zu geniessen. Im Stadion Anfield Road hat er die grossartige Atmosphäre schon dreimal aufgesogen. «Ganz nahe an das Geschehen kann ich allerdings nicht, weshalb ich mich mit einem Mini-Fernrohr behelfe.»