ERFINDUNG: Steigers verschwundener Caravan

Vor 51 Jahren hat der St. Galler Tüftler Fritz Steiger einen schwimmenden Wohnwagen gebaut. Der Prototyp verschwand von der Bildfläche, bevor er ihn verkaufen konnte.

Christina Klein
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Christina Klein

christina.klein@tagblatt.ch

Am kommenden Freitag beginnt in St. Gallen die 57. Camping- und Freizeit-Ausstellung (OCA). Präsentiert wird dort unter anderem ein schwimmender Wohnwagen (Ausgabe vom 7. Januar 2017). Die Ankündigung hat Fritz Steiger auf den Plan gerufen. «Das ist alles andere als eine Neuheit», sagt der gelernte Büromaschinenmechaniker aus St. Gallen. «Ich habe bereits vor 51 Jahren einen solchen Wagen gebaut.» Auf dem Schreibtisch in seinem Geschäft an der Davidstrasse liegen vergilbte Zeitungsausschnitte und Fotografien. Auf einem Artikel aus der «Automobil-Revue» vom 20. Oktober 1966 ist ein Boot mit Rädern abgebildet. «Das ist die Corvette Weekend», sagt Steiger, «meine eigene Konstruktion.» Die Idee dahinter sei gewesen, seine beiden liebsten Dinge zu kombinieren – sein Auto und sein Boot. So kam er dazu, ein schwimmendes Auto anzufertigen. Kurz danach baute er eine grössere Version davon – den schwimmenden Wohnwagen. Der 82-Jährige zeigt ein Bild, auf dem ein junger Mann vor einem schwimmenden Wohnwagen zu erkennen ist – er selber.

Auffallend am Wagen war – neben der bootsförmigen Unterseite – der am Heck befestigte Aussenbordmotor: Die aus Polyester gefertigte Karosserie war sowohl land- als auch wassertauglich. Die Raumaufteilung entsprach der eines herkömmlichen Wohnwagens der 1960er-Jahre – mit dem Unterschied, dass Steigers Modell mit einem Cabriolet-Verdeck ausgestattet war.

Verschollen in Kapstadt

Die Öffentlichkeit sah jedoch nicht viel von Steigers schwimmendem Caravan. Nachdem der Bau abgeschlossen war, machte sich der damals 30-Jährige auf zu verschiedenen Bootsausstellungen, um seine Erfindung zu vermarkten. Zwar hätten viele Gefallen an der Idee gefunden, doch sei ihnen der Preis des Prototyps zu hoch gewesen. «An einer Messe in Österreich hat sich plötzlich ein Herr für die Idee interessiert und bot mir an, den Wohnwagen in Serie günstiger herzustellen», erzählt Steiger. Gutgläubig habe er dem Fremden seinen Caravan als Vorlage überlassen. «Ich habe den Wagen nie wieder gesehen.» Der Mann habe sein einziges Modell sowie seine Formvorlage mitgenommen und sei damit nach Kapstadt verreist. Die Polizei habe den Wagen dort aber nie gefunden.

Als der Caravan verschwunden war, blieben Steiger immer noch seine Boote. Bereits mit 16 Jahren baute Steiger sein erstes Rennboot. Über 30 Jahre lang fuhr er fast jeden Sonntag in ein anderes Land, um seine Eigenkonstruktionen vorzuführen und sich auf dem Wasser zu beweisen. Steiger kann sich noch genau an sein erstes Rennen erinnern. «Es war in Berlin. Ich fuhr auf den 33. Platz», erzählt er schmunzelnd. Später gewann er mit seinen Booten gar die Europa- und Vizeweltmeisterschaft. Doch auch von Verletzungen blieb er nicht verschont: «Ich habe meinen Chiropraktiker über Jahre hinweg jedes Wochenende gesehen.» Nach 30 Jahren hörte er über Nacht mit dem Rennsport auf – ein enger Freund war bei einem Wettkampf tödlich verunglückt. «Ich bin seit diesem Tag nie mehr in ein Rennboot gestiegen.»

Der letzte seiner Zunft

Steiger verbringt auch heute noch viel Zeit auf dem Wasser. Er besitzt noch zwei Boote, mit denen er so oft wie möglich auf dem Bodensee ausfährt. Trotz des hohen Zeitaufwands war der Wassersport für Steiger immer nur ein Hobby – von Berufs wegen führt er ein Büromaschinen-Geschäft in St. Gallen, das er von seinem Vater geerbt hatte. 2016 feierte der Laden sein 100-jähriges Bestehen. Steiger hat nicht vor, sein «Rentnerhobby» in nächster Zeit aufzugeben, im Gegenteil: Er ist stolz darauf, sich im digitalen Zeitalter bewährt zu haben. Früher musste er sich gegen 23 Büromaschinenläden behaupten – heute ist er einer der letzten in der Region.