Gehörgang: Die Olma bietet eine imposante Geräuschkulisse: Es wird gemuht und gejault, angepriesen und verhandelt, gestammelt und geschrien. «zoom» hat hingehört.
Freigelände: Es plätschert im Sekundentakt. Brigitta, und neben ihr gleich auch noch Sara, zwei Kühe, entleeren ihren Darminhalt. «Wää, Mami», tönt es von rechts. «Jöö», «So herzig» und «Jesses Gott» von links – Kinder streichen dort die Kälber. Mami schaut ihnen dabei zu und beisst genüsslich in eine Bratwurst. Beim nächsten Holzverschlag: «Britney, Mutterschwein mit Ferkeln» dann: «Sie, sorry, das Schwein hat Plastikfolie im Mund, macht das nichts?» – «Nein, nein, die spielt nur damit.» Auch die Kinder wollen spielen, mit den Ferkeln. «Nimm deine Hand da raus!», sagt Papa.
Halle 9: «Caramel mag ich überhaupt nicht». Das Milchprodukt, das DJ Bobo immer trinkt, mögen nicht alle. Dafür aber den Käse mit dem ähnlichen Namen: «Patent, patent!», findet ihn eine ältere Frau. Rechts daneben zischt und dampft es. «Kapselsystem! Blau und grün und gelb und koffeinfrei!», verspricht ein Berater. Die Kaffeemaschine sei übrigens auch ein Radio. «Ist ja verrückt.
» «Piep, piep, piep!» – «Der neue Combi-Steam wird ihr Leben verändern», heisst es verheissungsvoll direkt daneben. «Ja genau! Bei den Küchen bin ich!», ruft ein Mann ins Telefon, sein Kollege steht aber schon bei den Sprudelbädern. Dort blubbert es endlich etwas ruhiger. «Mit Champagner gefüllt würde ich ihn glatt kaufen», sagt ein Besucher zum Experten, der findet das mässig witzig. Ähnlich entspannend wie ein Whirlpool klingt die Musik von nebenan. Ein Klaviervertreter spielt einer jungen Frau ein Stück von Yann Tiersen vor.
Ein müdes Klatschen ist dann aber alles, womit sie ihm entgegenkommen kann.
Halle 4: «Hast du etwa gefurzt?», fragt einer den anderen, bevor sie gut gestriegelt in die Degustationshalle eintreten. «Jetzt geht's los, jetzt geht's los!» Die Eingangstüre schliesst und öffnet sich sekündlich, die Halle summt und brummt wie ein Bienenstock.
Eine Frau schreit in ihr Handy: «Stutzi, Schü-tzeen-gar-ten!» Irgendwie haben sich hier alle verloren und versuchen sich – das Bier in der einen, das Handy in der anderen Hand – wieder zu finden. Vis-à-vis bei den Bierbrauern aus dem Rheintal klopft einer mit Formel-1-Leibchen und mächtigem Bart auf den Tisch: «Scheiss Gadhafi! Und mit so einem noch verhandeln, spinnt der eigentlich!»
Moststube: «Komm, wir hacken ein», meinen zwei alte Freunde, die sich – ihren glücklichen Gesichtern nach – seit Jahren nicht mehr gesehen haben. «Jooloo», grölen sie los. Wildfremde stimmen sofort in den Chor ein: «Jololololoooo.» «Schön, das gibt's nur an der Olma», sagt einer, der sich vorbeidrückt. Die Lautsprecher an der Decke der Halle ertönen: «Liebe Besucherinnen und Besucher, die Olma . . .», mehr versteht niemand, denn es ist einfach zu laut. «Halb sieben! Nur noch eine halbe Stunde! Los! Bier!» animiert ein fleissiger Trinker seine Freunde.
Spätestens jetzt wird klar, was mit der Durchsage gemeint war.
«Who the fuck is Dschingis Khan?», fragt sich die deutsche Coverband auf dem Bardach der Moststube. Der Tanzboden vibriert, die Schritte klingen mehr nach Stampfen als nach Tanzen. Es ist 18.46 Uhr: Drei Minuten noch. Doch die Musiker sind sich sicher: «He! Das geht ab! Wir feiern die ganze Nacht!» Die Gläser klirren, die Menge johlt. «Ooo», in allen denkbaren Tonlagen.
Jahrmarkt: «Cola, Mineral, nur drei Franken» wirbt einer vor dem Haupteingang. Das wäre wohl genau das, was der wacklige Mann, der sich über den «verdammten Wein» beschwert, brauchte. Nebenan ist die Welt noch in Ordnung oder zumindest nicht in Schieflage: «Palmen, Tulpen? Lassen Sie mich zeigen, was es für eine Fünfzigernote alles gibt! Sie müssen nicht kaufen, nur staunen!», so der Blumenverkäufer zu einem Herrn. «Überredet!», schliesst der den Verkauf ab und geht mit sechs Sträussen davon.
Westwärts rheintalert es in einem Ton, dass einem sofort das Wasser im Mund zusammenläuft: «Rohner Magebrot! Frisch brennti Mandle, Caramel . . .». Gleich daneben herrscht dramatisches Gekreische. Dafür verantwortlich: «Big Flight», eine der waghalsigen Olma-Bahnen. «Ab geht die Postpostpost!» ruft der Mann im Kassahäuschen ins Mikrophon, natürlich mit reichlich Echoeffekt. Sirenen, Pfiffe, Schreie und Maschinenlärm.
Und 90er-Jahre-Techno–Nznzn» von allen Seiten! Wie können sich denn die Jungs am Schiessstand noch konzentrieren? «Peng», Glückstreffer.
«Komm, wir gehen zum Mann mit dem Gemüse», beschliessen zwei Hausfrauen. Gemeint ist der Stand mit den praktischen Küchenhilfen. «Rüebli, einfach von unten her schälen, geht fast so prima wie im Bett», behauptet der und bringt die Meute zum Lachen und Kaufen.
Mehr zur Olma in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper vom Samstag, 17. Oktober 2009.