Wenn's förmlich nach Heimat riecht

Wenn Tinu Heiniger zu singen beginnt, dann ist das Vaterland vor dem inneren Auge zu sehen, das Mutterland zu spüren und die Musik verschiedener Länder und Stile zu hören. Das Chössi-Theater-Publikum am Samstagabend war begeistert.

Kathrin Burri
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LICHTENSTEIG. Drei bis vier Jahre mögen es her sein, seit Tinu Heiniger das letzte Mal im Chössi-Theater gastierte. Elfi Wälli, Co-Programmchefin des «Chössis», hat ihn für den Samstagabend eingeladen. Was für ein Glück, im Publikum dabei zu sein, wenn Tinu Heiniger seine Gitarre in die Hände nimmt, die Saiten zupft und mit seiner wohlklingenden und sanften Stimme singt und erzählt. Über seine Heimat, mit all dem «Högerland, dem Chrachetal, Egge, Häng u Börter überall». So ist es, Tinu Heinigers Heimatland, das «Ämmital». Dort kann man's «bös» haben, kann «werche» wie ein Hund, vielleicht sogar so streng wie «Ätti» und «Müetti». Alles Worte, die schon fast wie eine nostalgische Melodie klingen. Tinu Heiniger bleibt nicht beim nostalgischen Bestaunen und Beschreiben des Emmentals, seiner Heimat stehen – er, der in den den 70er-Jahren sozialisiert wurde, im Umfeld der Berner Liedermacher und der Anti-AKW-Bewegung singt von Heimatliebe, die auch mit linker Gesinnung möglich ist. Der Sänger und Liedermacher fühlt sich in seinen Werken noch einer anderen Losung der 70er-Jahre verpflichtet: Das Private ist Politisch.

Erstaunliches im Alltäglichen

Alltäglich, privat und aktuell, politisch brisant, ist beispielsweise das Wissen, dass jeder Mensch von irgendwann von irgendwoher in dieses Land, in dieses Tal gekommen ist. Und dass ebenso jeder Mensch eines Tages wieder weggetragen wird, auch «mir Rieche si Lieche, müend das Tal verlah», singt Tinu Heiniger im Lied, das er als «Patriotisches mit Posaunenchor» ansagt. In einem sanften, einem nachdenklichen Blues lässt Tinu Heiniger das Publikum teilnehmen an seinen Einsichten über den allwöchentlichen Grossvatertag. Er ist unverplanbar, weil dann der kleine Enkel kommt, der alles wissen will und alles verstehen wird, der Bäche stauen und kaum mehr gehen mag und vom Grossvater getragen wird, bis ans Ende der Welt.

Was der Vater kann ...

Gerne wird gelacht wenn Tinu Heiniger aus seiner Jugendzeit vorliest, aus dem im Mai 2011 erschienenen Buch «Mutterland/Heimat in Geschichten». Er liest Geschichten über die Heimfahrt am Sonntagabend, den Kirchenbesuch an Weihnachten, den Ausflügen zum Fussballmatch mit dem Vater, den politischen Diskussionen am Küchentisch. Und dann wird mit der Faust auf den Tisch geschlagen, was der Vater kann, das kann der Bub auch. Und am Ende wird der Vater ins Sterben begleitet, leise, friedlich, versöhnlich. Er rezitiert Auszüge aus dem Thunerseespiel wo er Gotthelftexte auswendig lernte und erzählt über die Aufführung «Dällebach», wo er als Liedtexter wirkte. Dazwischen nimmt Tinu Heiniger die Klarinette hervor und gibt perlende, jazzige Melodien von sich. Mal sehnsüchtig oder verhalten, manchmal angelehnt an musikalische Vorbilder, wie Duke Ellington weiter arrangiert mit eigenen Melodien. Dann wieder begleitet die Mundharmonika sein Gitarrenspiel. Immer wieder wird das Publikum einbezogen, summt den Refrain mit und erkennt auf dem Ausflug, gemeinsam mit der Mutter auf dem Thunersee eine bekannte Melodie. Mit herzlichem Applaus wurde dem Liedermacher für den Abend gedankt.