Im innerrhodischen Brülisau wird seit über 100 Jahren ein besonderer Osterbrauch gepflegt. Die Ministranten verkaufen den Dorfbewohnern Eier und bringen ihnen ein Ständchen dar.
Es ist kurz vor acht Uhr morgens, die Sonne blinzelt hinter dem Kamor hervor. Mesmer Albert Manser steht in der Sakristei der Kirche St.Sebastian in Brülisau. Heute ist er aber nicht mit der Vorbereitung des Gottesdienstes beschäftigt, sondern legt je einen Stapel graue Zwilchblusen und rote Sennentücher bereit. Das ist die Ausrüstung für die Oschtermeedle und Oschterbuebe, die schon bald eintrudeln sollen. Der Brauch des Ostersingens hat in Brülisau seit über 100 Jahren Tradition, erst seit 1974 sind auch Mädchen dabei. Ausgerüstet mit Hut und Handstock ziehen die Kinder in zwei Gruppen von Haus zu Haus und wünschen den Bewohnern des Dorfes und der umliegenden Gehöfte frohe Ostern. In einem geflochtenen Korb tragen sie Eier mit sich, die sie geschenkt erhalten und weiterverkaufen. Der Erlös aus den verkauften Eiern sowie ein Teil des Geldes aus der Sammelbüchse wird am Schluss unter allen Ministranten aufgeteilt als Lohn für das Altardienen das ganze Jahr hindurch.
14 Buben und Mädchen seien es dieses Jahr, sagt Albert Manser. «Wir hatten aber auch schon über 30». Die älteren Kinder sind schon das vierte oder fünfte Mal dabei. Theoretisch dürften sie so lange mitmachen, wie sie wollen, sagt Manser. «Aber die meisten hören auf, wenn sie in die Lehre kommen.» Das Anziehprozedere ist schnell erledigt. Nur hier und da muss Manser ein Tuch zurechtzupfen oder einen Hut geraderücken. Einer der jüngeren Sänger hat den Chüeligurt verkehrt herum angezogen und muss nochmals ausfädeln. Als alle angezogen sind, übt Manser mit ihnen das Lied. Es tönt wie "I khöre es Glöggli", hat aber einen anderen Text:
Was geed er ös z'Oschtre,
me dienid sganz Johr.
Mee singid ond bettid am hälege Oot.
Was er ös jetz schenkid, das ischt ösen Lohn,
de Herrgott de dankts eu mit Sege im Huus.
«Ihr müsst laut und kräftig singen, ihr geht auch zu älteren Leuten, die vielleicht nicht mehr gut hören», mahnt der Mesmer. Nach einigen Durchgängen ist er zufrieden mit der Gesangsleistung und schickt die Schar los. Mit vielen Kilometern in den Beinen, leeren Eierkörben und vollen Kässeli werden sie gegen 17 Uhr zur Kirche zurückkehren.