Machen wir's den Katzen nach

Früher war mir der Winter sympathisch. Jetzt wird er mir mehr und mehr zum unwirtlichen Gesellen, was gewiss auch mit meinem Alter zusammenhängt.

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Früher war mir der Winter sympathisch. Jetzt wird er mir mehr und mehr zum unwirtlichen Gesellen, was gewiss auch mit meinem Alter zusammenhängt. Wäre ich befiedert und beflügelt, käme ich der Aufforderung «Machen wir's den Schwalben nach» aus Emmerich Kálmáns Operette «Die Csárdásfürstin» gerne nach, indem ich zwar kein Nest baute, wie es im Operetten-Text weiter heisst, wohl aber im Herbst in luftiger Höhe südwärts zöge.

Aber ein paar anatomische Unumstösslichkeiten hindern mich daran, vogelgleich zu entschweben und damit der kalten Garstigkeit zu entrinnen. Doch es gibt in der Zoologie genug Anschauungsunterricht, wie die dunkle Zeit am besten zu überstehen wäre, wenn wir uns etwa die Murmeltiere vor Augen halten. Und da sind ja auch noch die Katzen, die dem Wintergrimm auf ihre Weise zu begegnen wissen. Am Beispiel meiner beiden Stubentiger lässt sich das sehr schön belegen.

Ist es draussen zunehmend ungemütlich, schränken sie ihren Aktionsradius auf ein Mass ein, dass man sie fast in die Nähe von Faultieren rücken muss. Sie verkrümeln sich in die hintersten Ecken und Winkel der Wohnung, wo es schön warm ist und wo sie kein Schneegestöber anficht. Wenn sie sich denn nicht für ganz kurze Zeit einmal ins Freie bequemen, kommt das Zurücklegen des Weges zum Fressnapf dem grössten Effort gleich. Ansonsten verschlafen sie den lieben langen Tag, und die Nacht dazu.

Da erwacht bei mir manchmal fast ein bisschen der Neid: Wintersüber müsste man eigentlich Katze sein.

Martin Hüsler