Der Kantonsrat will der kalten Progression ein Ende setzen

Zwei Motionen hatte die FDP-Fraktion auf die gestrige Kantonsratssession hin eingereicht. Die eine wurde mit einhelliger Zustimmung gutgeheissen, die andere in ein Postulat umgewandelt.

Johannes Wey
Drucken

herisau. Appenzell Ausserrhoden ist der einzige Kanton der Schweiz, der keinen Ausgleich der kalten Progression kennt – dies soll sich nun ändern. In einer Motion forderte Urs Schläpfer (Trogen) stellvertretend für die FDP-Fraktion vom Regierungsrat, eine Änderung des Steuergesetzes vorzulegen, um bei der Einkommenssteuer von Privatpersonen die Folgen der kalten Progression jährlich auszugleichen.

Alle Fraktionen sind sich einig

Von kalter Progression ist die Rede, wenn ein Steuerzahler aufgrund des Teuerungsausgleichs in eine höhere Progressionsstufe eingeteilt wird und daher mehr Steuern bezahlen muss, ohne dass seine Kaufkraft gestiegen wäre. «Die kalte Progression stellt eine versteckte Steuererhöhung dar und frisst schleichend die Kaufkraft auf», argumentierte Schläpfer, und davon seien vor allem untere und mittlere Einkommen betroffen. Finanzdirektor Köbi Frei stimmte mit der «Grundstossrichtung» der Motion überein, behielt sich aber vor, weitere Varianten des Ausgleichs zu prüfen, etwa ob dieser jährlich erfolgen sollte. «Das Anliegen kommt bei uns gut an, wir haben bereits mit der Konzeption der Vorlage begonnen», erklärte er namens der Regierung.

In ihren Stellungnahmen zeigten sich die Fraktionen von SVP, CVP/EVP und SP ebenfalls einverstanden. Für letztere bemerkte Ivo Müller (Speicher): «Mich stört einzig, dass wir diese Motion nicht selbst eingereicht haben.» Der Kantonsrat stimmte der Motion einstimmig zu.

Motion mutiert zum Postulat

Die zweite FDP-Motion war kontroverser: Sie verlangte eine Änderung des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, um in den Verfahren zu Baurechtsangelegenheiten die Verlängerung behördlicher Fristen auf maximal eine pro Verfahrensschritt und Partei zu begrenzen. Silvia Lenz (Gais) begründete die Forderung damit, dass es in Einsprache-, Rekurs- oder Beschwerdeverfahren üblich sei, «rege und mehrfach» von der Möglichkeit einer Fristerstreckung Gebrauch zu machen. Ernsthafte Gegner eines Bauprojekts seien von einer Verschärfung nicht betroffen, sagte Lenz. «Einige Gegner versuchen aber lediglich, ein Bauvorhaben zu verzögern – bewilligungsfähige Bauvorhaben sollten aber realisiert und nicht in die Länge gezogen werden.» Ansonsten nehme die Standortattraktivität des Kantons Schaden. Jakob Brunnschweiler, Vorsteher des Departements Bau- und Umwelt, teilte Lenz' Ansicht nicht. Die Fristerstreckungen würden sehr zurückhaltend gewährt, sagte er. Im Vergleich mit dem Kanton St. Gallen sei man sehr gut aufgestellt. Solch eine «absolute Regelung» müsse man auch auf ihre Rechtsstaatlichkeit hin prüfen, da sie den Einzelfall ausser acht lasse.» Die Meinungen zu dieser zweiten FDP-Motion gingen im Rat auseinander. Schliesslich wandelte Lenz die Motion in ein Postulat um. Dabei muss der Regierungsrat keinen Gesetzestext ausarbeiten, sondern lediglich die Frage der Verfahrensbeschleunigung prüfen und dazu binnen eines Jahres Bericht erstatten. Damit zeigten sich die Kantonsräte bei einer Enthaltung einverstanden.

Ausserrhoden hat keine Fichen

Ivo Müller (Speicher) reichte anlässlich des jüngsten Fichenskandals im vergangenen Sommer im Namen der SP-Fraktion einen Interpellation ein, die sich mit dem Staatsschutz in Ausserrhoden beschäftigt. Von Sicherheitsdirektor Hans Diem wollte er unter anderem wissen, wie viele Fichen im Kanton existierten und auf welche Personen sich diese beziehen. Diem stellte klar, dass die Fichen zentral beim Bund geführt würden. Aktuell existierten für Ausserrhoden 48 Personendossiers und 4 über Gruppierungen. Betroffen seien allerdings nur «extrem auffällige Personen».