China
Evergrande steht für die Auswüchse eines gigantischen Immobilienbooms

Die Frage ist, ob in China nach Jahrzehnten die Musik aufhört zu spielen am Immobilienmarkt. Wenn ja, wird auch Peking nicht verhindern können, dass sich die üblichen Folgen einstellen.

Niklaus Vontobel
Niklaus Vontobel
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Das Evergrande-Center in Shanghai.

Das Evergrande-Center in Shanghai.

Alex Plavevski / EPA

Es war ein Moment, wie aus dem Spiel «eine Reise nach Jerusalem». Am Montag merkten die Investoren auf einmal, hoppla, die Musik spielt nicht mehr, ein Stuhl muss her. Der chinesische Immobiliengigant Evergrande stand schon lang wacklig da, Experten sagten es seit Jahren, aber nun war plötzlich der Moment da, als viele glaubten, einen Stuhl haben zu müssen. Selbst fern von China, in der Schweiz, fielen die Aktienkurse.

Am Tag darauf wird gerätselt, wie schlimm es wäre, wenn Evergrande tatsächlich fallen würde. Einige beruhigen. Chinas Banken könnten es verkraften, sagt eine Ratingagentur. Die Regierung werde Schlimmeres schlicht nicht zulassen, sagen viele Beobachter. Immerhin kontrolliert Präsident Xi Jinping die Banken, die Medien – und eigentlich sowie alles mit seinem Sozialkreditsystem. Passend dazu stellen Beobachter erstaunt fest, dass grosse chinesischen Zeitungen das lästige Thema lieber totschweigen.

Dabei wird übersehen, wofür Evergrande steht: für die Auswüchse eines Immobilienbooms von gigantischem Ausmass. Gemessen an der Gesamtwirtschaft, übertrifft er bei weitem jene Proportionen, die der Immobilienmarkt in den USA erreichte, ehe es dort 2008 zum Crash kam. Und die Frage ist nun, ob in China nach Jahrzehnten die Musik aufhört zu spielen. Wenn ja, fallen die Preise unweigerlich, Verluste entstehen. Wie nach jedem Immobilienboom gibt es auch in China nicht für alle einen Stuhl.