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Vor dem Thurgauer Obergericht ging es am Montag um die Frage, wie viel Macht Oliver Skreinig innerhalb der Circus-Royal-Firmen besass und ob er deren Pleite mitverschuldet hat. Er behauptet, der verstorbene Peter Gasser sei der Alleinherrscher im Royal-Imperium gewesen.
Vom Zirkus kommt er nicht los: Oliver Skreinig, 43 Jahre alt, Ex-Direktor des Circus Royal. Seine Leidenschaft ist zugleich seine Misere. Er stehe auch jetzt wieder in der Manege, führe durchs Programm und arbeite im Büro, sagt er am Montag vor dem Obergericht. Alles aber nur als Angestellter, wie er betont. Einen eigenen Zirkus zu führen, hat ihm das Bezirksgericht Kreuzlingen untersagt, als es ihn wegen mehrfacher Misswirtschaft und mehrfacher Unterlassung der Buchführung im August verurteilt hat.
Gegen das Urteil hat Skreinig Berufung angemeldet. Vor dem Obergericht wiederholt er, was er schon vor dem Bezirksgericht beteuert hat. Er habe weder etwas von der desolaten Finanzlage geahnt, noch habe er Entscheidungen beeinflussen können. Peter Gasser sei der allmächtige Geschäftsführer gewesen und habe sämtliche Entscheidungen getroffen. Gasser habe auch die Eintrittsgelder jeweils an sich genommen. Skreinig sagt:
«Ich habe erst nach seinem Tod erfahren, was alles hinter meinem Rücken gelaufen ist.»
Aber es habe doch Verlustscheine und offene Rechnungen gegeben, wendet Obergerichtspräsidentin Katharina Glauser Jung ein. Gasser habe alles heruntergespielt, sagt Skreinig. «Schaut ihr, dass der Circus läuft, ich kümmere mich um den Rest», habe es immer nur geheissen. Wenn es hart auf hart kam, sei plötzlich auch wieder Geld da gewesen.
Gasser und Skreinig waren nicht nur geschäftlich, sondern auch privat ein Paar. Er sei von seinem wesentlich älteren Partner abhängig gewesen, schildert Skreinig. Mit 18 Jahren sei er zum Circus Royal gekommen, für Gasser habe er alles aufgegeben: «Ich war jung und dumm», es habe ein grosser «Psychodruck» geherrscht. «Ich war zu schwach, um mich durchzusetzen.» Gasser sei der Geschäftsführer gewesen, Skreinig lediglich Gesellschafter ohne jegliche Befugnisse. Oder, wie Skreinigs Verteidiger es sagt:
«Gasser war der Göttervater Zeus an der Spitze, Skreinig nur Hermes, der Götterbote.»
Der Staatsanwalt glaubt nicht an diese Version, für ihn hatten die Pleiten System. Sobald sich bei einer Firma der Konkurs abzeichnete, wurde eine neue gegründet. Nacheinander waren dies die Circus Royal GmbH, die Circus Royal Betriebs GmbH, die Gasser und Skreinig's Österreichischer Nationalcircus GmbH und schliesslich wieder die Circus Royal GmbH. Ging die eine Firma in Konkurs, geschäftete man mit der neuen weiter.
Zelt, Fahrzeuge und Tiere kamen nicht in die Konkursmasse. Sie gehörten nicht der GmbH, sondern Skreinig persönlich oder Dritten. Der Name Circus Royal blieb, die Vorstellungen konnten fast nahtlos weiterlaufen. Dafür blieben die Gläubiger auf ihren Schulden sitzen.
Der Schaden war beträchtlich: Bei den beiden Konkursen, um die es vor Obergericht geht – die Circus Royal Betriebs GmbH und die Gasser und Skreinig's Österreichischer Nationalcircus GmbH –, liegen Verlustscheine von 353'000 und 530'000 Franken vor. Die tatsächlichen Schulden dürften noch um einiges höher sein, sie hätten gar nicht mehr alle festgestellt werden können, heisst es in der Anklageschrift.
Für den Staatsanwalt besteht kein Zweifel, dass Skreinig nicht nur Gesellschafter der beiden Firmen war, sondern auch Geschäftsführer. Wäre Gasser der alleinige Geschäftsführer gewesen, hätte dies in den Statuten extra vermerkt werden müssen. Doch es fehle ein solcher Hinweis. Es gebe zahlreiche Indizien, dass Skreinig das Sagen beim Circus Royal gehabt habe. So habe er die Artisten eingestellt. Und für das Konkursamt sei er der einzige Ansprechpartner gewesen.
Auch der Staatsanwalt hat vor Obergericht Berufung angemeldet. Er beantragt eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten, die Hälfte davon soll Skreinig absitzen. Das sind sechs Monate mehr, als das Bezirksgericht Kreuzlingen Skreinig auferlegt hat. Dazu kommt ein Tätigkeitsverbot: Vier Jahre soll Skreinig keinen Zirkus mehr leiten dürfen.
Der Verteidiger dagegen pocht auf Freispruch von den Vorwürfen der Misswirtschaft und fehlenden Buchführung. Es sei vom Gesetz her möglich, das Skreinig zwar Gesellschafter mit Einzelunterschrift, aber kein Geschäftsführer war. Er habe in der Manege zwar den Zirkusdirektor gemimt, doch das sei nur eine Rolle gewesen. Faktisch habe er ausgeführt, was Gasser entschieden habe. Er sei auch nicht für das Personal verantwortlich gewesen, sondern habe ihnen lediglich die Lohntüten ausgehändigt.
Das Obergericht wird sein Urteil schriftlich bekanntgeben.
Nach dem Tod von Peter Gasser hat Oliver Skreinig erneut eine Firma gegründet: die Circus Royal GmbH. Auch sie ging pleite und auch hier läuft eine Strafuntersuchung gegen Skreinig. Das Konkursverfahren sei aber noch nicht abgeschlossen. (san)