Weltcupsieg
Niels Hintermann triumphiert in Kvitfjell – und bejubelt einen Sieg gegen die Zweifel

Mit einer Fabelfahrt zum Befreiungsschlag: Der Zürcher Unterländer schliesst einen Kreis und feiert seinen ersten «richtigen» Sieg. Ein Kanadier sorgt derweil für eine Sensation.

Dan Urner
Drucken
Jubel bei Niels Hintermann: Endlich steht er wieder ganz oben.

Jubel bei Niels Hintermann: Endlich steht er wieder ganz oben.

Keystone

Und es wurde für Niels Hintermann doch noch eine Zitterpartie: Der mit der Startnummer 39 ins Rennen gegangene Cameron Alexander setzte die Bestzeit des Schweizers mit einer sensationellen Fahrt gewaltig unter Druck. Doch die Marke hielt. Der Kanadier kam zeitgleich mit Hintermann ins Ziel – ein geteilter Sieg. Ein Sensationstriumph auf der einen, ein Befreiungsschlag auf der anderen Seite.

Dass der 26-jährige Zürcher beim ersten zweier Abfahrtsrennen im norwegischen Kvitfjell mit einer vom Start weg fehlerfreien und souveränen Fahrt aufwartete, dabei den starken Eindruck aus den beiden Trainings eindrucksvoll bestätigte und sich im Windschatten von Beat Feuz seinen langersehnten ersten Weltcupsieg in der Abfahrt sicherte, ist zum einen ein bemerkenswerter Coup. Zum anderen eine veritable Erlösung. Und ein Sieg gegen die immerwährenden Zweifel.

Für den Zürcher Unterländer ist der Triumph in Kvitfjell das vorläufige Ende einer schmerzhaften Reise. Es hatte freilich alles wunderschön begonnen: Im Januar 2017 war der damalige Newcomer unverhofft zu seinem Weltcup-Premierensieg in der Kombination von Wengen gekommen. Glück sei es gewesen, gab Hintermann später unverblümt zu. Die Wetterbedingungen hatten ihm in die Karten gespielt.

Druck und Selbstzweifel

Doch die Ergebnisliste nimmt auf solche Begleitumstände keine Rücksicht, und die infolge des Sieges geschürten Erwartungen an den noch jungen Skirennfahrer schon gar nicht. Dabei liess sich der Exploit nicht so einfach wiederholen, eine Schulterverletzung und finanzielle Engpässe kamen hinzu – gemischt mit immer stärker auftretenden Selbstzweifeln entstand ein toxischer Cocktail, der Hintermann gar mit dem vorzeitigen Karriereende liebäugeln liess.

Niels Hintermann (Mitte) nach seinem unverhofften Weltcupsieg in Wengen 2017.

Niels Hintermann (Mitte) nach seinem unverhofften Weltcupsieg in Wengen 2017.

Keystone

Doch der tapfere Schweizer liess sich nicht aus der Bahn werfen, kämpfte sich langsam, aber sicher zurück. Zu Beginn der vergangenen Saison war dann alles bereitet, der Kreis hätte sich endlich geschlossen: Doch Hintermann schied bei der Abfahrt in Val d'Isère mit der Bestzeit im Rücken aus. Früchte trägt seine harte Arbeit vor allem in der laufenden Saison.

Im Dezember fuhr er in Gröden erstmals seit seinem verhängnisvollen Sieg 2017 wieder auf das Podest. «Endlich fällt ein Teil der Last ab», analysierten die Zeitungen von CH Media. Nun dürfte auch der Rest abgefallen sein. Entsprechend gelöst wirkte Hintermann, dem im TV-Interview die Gewichtung und Einordnung seiner zwei Weltcupsiege recht leicht fiel:

«Es war damals in Wengen kein aus eigener Kraft eingefahrener Sieg. Darum ist es umso schöner, den ersten richtigen Sieg geniessen zu dürfen.»

Er zeigte sich ferner überrascht darüber, «dass an einem Tag alles so zusammenpasst, speziell in einer solchen Abfahrt, wo alles so eng beieinanderliegt».

Feuz verkürzt Rückstand auf Kilde

Eng geht es auch im Duell um den Sieg in der Abfahrtswertung her: Der in dieser Hinsicht auf Rang zwei klassierte Olympiasieger Beat Feuz distanzierte seinen Widersacher Aleksander Kilde in Kvitfjell um eine läppische Hundertstelsekunde. Bloss drei Punkte liegt der Emmentaler noch hinter dem Norweger.

Der Husarenritt von Cameron Alexander sei hier auch nochmals angemerkt. Ja, diese erste Abfahrt in Kvitfjell brachte einige Geschichten hervor. Und das Wochenende ist noch nicht zu Ende: Am Samstag steht eine weitere Abfahrt an, am Sonntag ein Super-G. Weiterer Gesprächsstoff scheint sicher.