Die Super-G-Kugel ist vom Tisch, der Vorsprung im Gesamtweltcup geschmolzen: Für Marco Odermatt drohen die letzten Saisonwochen zur Belastungsprobe zu werden. Doch es besteht Anlass zur Zuversicht.
Marco Odermatt ist der Strahlemann des Winters. Kein Wunder, ist er doch der beständigste Skirennfahrer der laufenden Weltcupsaison. Und nicht nur seine Leistungen stimmen, auch abseits der Piste macht der Nidwaldner stets eine souveräne Figur. Der 24-Jährige gibt sich nicht nur abgeklärt und professionell, er ist es auch.
Seine für sein noch recht junges Alter eindrückliche Coolness dürfte im restlichen Saisonverlauf noch zum entscheidenden Faktor werden. Denn das Wochenende im norwegischen Kvitfjell verlief für den sonst alles überragenden Odermatt gar nicht wunschgemäss: Die Plätze 15 und 13 in der Abfahrt waren wohl noch zu verschmerzen, doch der enttäuschende 28. Rang am Sonntag im Super-G, in dem im Zuge einer Korrektur eines Fehlers beim Sprung massiv Zeit einbüsste, nötigte dem Innerschweizer merkliche Gefühlsregungen ab. Ein «bisschen enttäuscht» sei er, gab er im obligaten TV-Interview nach seinem Lauf an, dabei dürfte es sich noch um einen beschönigten Ausdruck gehandelt haben.
Die Ernüchterung ist verständlich. Ein – zugegebenermassen recht unwahrscheinlicher – Triumph in der Super-G-Wertung ist in jedem Fall vom Tisch. Aleksander Kilde kann nach seinem Heimsieg in Norwegen nicht mehr eingeholt werden – das Fazit Odermatts erschien in diesem Zusammenhang nur logisch: «Ich habe gewusst, dass es schwierig wird, ihn hier auf seiner Lieblingsstrecke zu schlagen. Aleksander Kilde ist der beste Super-G-Fahrer, das hat er heute bewiesen.»
Ungleich sorgenvoller als sein Blick auf die Super-G-Wertung dürfte indes jener auf den Kampf um die grosse Kristallkugel sein. Denn dort, wo der Spitzenplatz Odermatts noch vor wenigen Tagen unumstösslich schien, hat sich durch die ungleichen Kräfteverhältnisse in Kvitfjell nochmals eine ungeahnte Spannung eingeschlichen. Auf 189 Punkte ist der Vorsprung des Schweizers zusammengeschmolzen, und immerhin sieben Rennen stehen in diesem Winter noch an.
Anlass zu überbordender Bangigkeit gibt die Gemengelage freilich nicht her. Bei insgesamt drei der sieben verbleibenden Wettkämpfe handelt es sich um Riesenslaloms – bekannterweise Odermatts Paradedisziplin, in der er sich in dieser Saison bislang beinahe unschlagbar gezeigt hat. Vier von fünf Rennen hat der Shootingstar gewonnen, einmal wurde er Zweiter. Dass er sich noch die Butter vom Brot nehmen lässt, scheint da unwahrscheinlich. Zumal Kilde, der sich in dieser Saison allein auf Speed-Rennen fokussiert hat, auf einen Start bei den kommenden zwei Riesenslaloms im slowenischen Kranjska Gora zu verzichten beabsichtigt.
Und wie gereift der Zentralschweizer in brenzligen Situationen aufzutreten vermag, hat er schon während der Olympischen Winterspiele in Peking eindrucksvoll dargelegt. Als in seinen anderen alpinen Disziplinen die Medaillen schon vergeben waren und er weiter ohne das von ihm erwartete Edelmetall dastand, befand sich Odermatt im Riesenslalom mächtig unter Zugzwang. Er hielt dem Druck bekanntlich bravourös stand.