Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot»
«Kein Votum gegen Muslime»: Die Schweiz sagt knapp Ja zur Burka-Initiative

Die Schweizer Stimmbevölkerung sagt mit 51,2 Prozent Ja zur Burka-Initiative. Auch 18 Kantone votieren für das Verhüllungsverbot. Nach sieben Jahren wird damit wieder eine Volksinitiative angenommen.

Samuel Thomi
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Justizministerin Karin Keller-Sutter nimmt am Sonntagabend in Bern Stellung zum Ja des Schweizer Stimmvolks zur Burka-Initiative.

Justizministerin Karin Keller-Sutter nimmt am Sonntagabend in Bern Stellung zum Ja des Schweizer Stimmvolks zur Burka-Initiative.

Keystone

Seit Sonntag gilt in der Schweiz ein Verhüllungsverbot. Mit 51,2 Prozent haben die Stimmenden knapp Ja gesagt zur sogenannten Burka-Initiative. Auch 18 Kantone haben die Volksinitiative des sogenannten Egerkinger Komitees angenommen. «Dies ist kein Votum gegen die Musliminnen und Muslime in der Schweiz», sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter am Abend vor den Medien in Bern. Zudem stehe die Schweiz mit dem Burkaverbot in Europa nicht alleine da. So kennen laut Keller-Sutter auch die Nachbarländer Frankreich und Österreich sowie Belgien, Dänemark und die Niederlanden ähnliche Verhüllungsverbote.

Wie Urs Bieri vom Forschungsinstitut gfs.bern gegenüber Radio SRF in einer ersten Einschätzung sagte, kommen die Ja-Stimmen der Burka-Initiative sowohl aus rechtskonservativen, aus sicherheitspolitischen aber auch aus feministischen Kreisen. Überraschend viele Stimmen machte die Burka-Initiative zudem in Westschweizer Kantonen. Dies könnte mit der Nähe zu Frankreich zusammenhängen. Oder mit wachsendem Misstrauen gegen Behördenvorlagen in der Romandie, wie Urs Bieri sagte. Auch das Tessin sagte deutlich Ja zur Burka-Initiative.

«Die Unterstützung diesmal war viel breiter», sagte Walter Wobmann vom Egerkinger Komitee zu Radio SRF. Anders als etwa bei der Minarettinitiative habe es diesmal auch Feministinnen und Muslime gegeben, die sich teilweise gar in Komitees gegen die Vollverschleierung einsetzten. «Ich bin überzeugt, dass auch die linken Stimmen wichtig waren», sagte der Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann weiter.

Jeder Kanton muss nun ein Verhüllungsverbot ausarbeiten

Damit ist am Sonntag erstmals seit sieben Jahren wieder eine Volksinitiative angenommen worden. Zuletzt hatte die Konzernverantwortungsinitiative im Dezember zwar ein Volksmehr erzielt, scheiterte jedoch am Ständemehr. Letztmals ein Ja gab es 2014 zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung». Im gleichen Jahr wurde auch die Initiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen» angenommen.

Nach dem Ja zur Burka-Initiative ist die Verhüllung des Gesichts im öffentlichen Raum und an öffentlich zugänglichen Orten ab sofort in der Schweiz verboten. Ausnahmen gibt es nur aus Gründen der Gesundheit oder in Zusammenhang mit einheimischen Bräuchen. Damit zielt die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» vorab auf Burka- und Niqab-Trägerinnen ab. Nach der Verfassungsänderung wird nun jeder Kanton binnen zweier Jahre eine eigene Gesetzesvorlage ausarbeiten müssen.

Hinter der Burka-Initiative steht das sogenannte Egerkinger Komitee. Es besteht vorab aus Politikern der SVP und der EDU. Das Egerkinger Komitee stand auch bereits hinter der 2009 angenommenen Initiative zum Verbot von Minaretten in der Schweiz. 57,5 Prozent der Abstimmenden und 19,5 Stände sagten damals Ja. Laut Zählungen leben hierzulande gut 5 Prozent Muslime. Laut Schätzungen gibt es rund 30 Burka- oder Niqabträgerinnen.

Keine Fördergelder für Integrations- und Gleichstellungsprojekte

Unterstützt worden ist die Burka-Initiative im Abstimmungskampf von SVP und EDU. Die EVP beschloss Stimmfreigabe. Parlament, Bundesrat sowie FDP, Mitte, GLP, SP und Grüne empfahlen ein Nein. Ein vergleichbares Verhüllungsverbot kennen bereits die Kantone St. Gallen und Tessin. Der Kopf des Tessiner Burka-Verbots, der politische Einzelkämpfer und Islamkritiker Giorgio Ghiringhelli, schreibt am Sonntag zur nationalen Abstimmung: «Mission erfüllt.» Zehn Jahre, nachdem er in der Südschweiz mit seinem Vorhaben gestartet ist, sei dies nun «ein klares Signal gegen die Islamisierung der Schweiz». Nebst dem Burka-Verbot in St. Gallen und im Tessin gilt derzeit in 15 weiteren Kantonen zudem bereits ein Verbot zur Vermummung bei Kundgebungen oder Sportanlässen.

Bei einem Nein zur Burka-Initiative wäre automatisch ein indirekter Gegenvorschlag des Parlaments in Kraft getreten. Dieser sah unter anderem vor, dass Personen den Behörden ihr Gesicht zeigen müssen, wenn dies für die Identifizierung notwendig ist. Zudem hätte bei Integrations- und Gleichstellungsprogrammen, die durch den Bund gefördert werden, Anliegen von Frauen, Kindern und Jugendlichen künftig besonders Rechnung getragen werden müssen.