Umwelt
Lockerung des Gentech-Moratoriums: Nationalrat steht auf die Bremse

Der Ständerat möchte gentechnisch veränderte Organismen zulassen, wenn sie kein Erbmaterial anderer Art enthalten. Dem Nationalrat geht das zu weit. Zuerst soll der Bundesrat offene Fragen klären. Allerdings tut er das bereits.

Reto Wattenhofer
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Gentechnisch veränderte Pflanzen dürfen in der Schweiz nur zu Forschungszwecken angebaut werden. (Symbolbild)

Gentechnisch veränderte Pflanzen dürfen in der Schweiz nur zu Forschungszwecken angebaut werden. (Symbolbild)

Keystone

Seit das Stimmvolk 2005 eine Volksinitiative angenommen hat, hiess es alle vier Jahre: Das Parlament verlängert das Moratorium für den Anbau gentechnisch veränderter Organismen (GVO). Zeit für einen Sinneswandel, befand letzten Dezember der Ständerat. Er sprach sich gegen ein striktes Moratorium bis Ende 2025 aus. Die kleine Kammer möchte gentechnisch veränderte Organismen, denen kein transgenes Erbmaterial eingefügt wurde, vom Verbot in Zukunft ausnehmen.

Nun zeigt sich: Der Plan dürfte scheitern. Zu gross ist der Widerstand im Nationalrat. Er lehnte am Mittwoch eine Ausnahme für Genom-Editierungsmethoden ab. Zwar stellt sich die Ratsmehrheit nicht grundsätzlich gegen die neuen Technologien. Ihr schlägt der Ständerat aber schlicht ein zu forsches Tempo an.

Kein Grundsatzentscheid

Als Kompromiss sieht der Nationalrat vor, dass der Bundesrat dem Parlament bis spätestens Mitte 2024 einen Entwurf für eine risikobasierte Zulassungsregelung zu neuen Züchtungsmethoden unterbreitet. Dabei hat die grosse Kammer Hürden eingebaut. Voraussetzung ist, dass die neuen Methoden gegenüber heutigen einen Mehrwert für Landwirtschaft, Umwelt oder Konsumenten schaffen. Das Gentech-Moratorium wird einstweilen bis Ende 2025 verlängert.

Ermöglicht haben den Kompromiss die SVP und die Mitte-Fraktion, die eine Kehrtwende vollzogen. Trotzdem kommt ihr Ja keinem Vorentscheid gleich. Die neuen Züchtungstechnologien würden damit noch nicht freigegeben, versicherte Philipp Kutter (Die Mitte/ZH). Die Botschaft war wohl auch an die eigenen Reihen gerichtet. Denn die Mitte ist in der Frage gespalten. Auch SVP-Vertreter Alois Huber (AG) betonte, seine Partei habe heute nicht zugestimmt.

Ganz anders präsentierte sich die Gemütslage bei den Liberalen. «Endlich kann man sagen», bewege sich etwas bei den neuen Züchtungsmethoden, erklärte Christian Wasserfallen (FDP/BE). Die Wissenschaft dränge schon seit Jahren darauf, dass die Politik diesen «mutigen Schritt» mache. Mehrere Redner sagten, dass die Schweiz hier den Anschluss nicht verlieren dürfe.

Wohlüberlegte Entscheide

Eine Minderheit im Nationalrat wollte vorerst nicht gesetzlich tätig werden und das Gentech-Moratorium unverändert bis Ende 2025 verlängern. In dieser heiklen Frage dürfe nicht einfach das «bisherige Vertrauen aufs Spiel» gesetzt werden, betonte Sandra Locher Benguerel (SP/GR). Das bedeute nicht, dass man sich der Diskussion verschliesse. «Die Richtung, in die es gehen soll, ist klar.»

Für eine Minderheit gilt es die Zeit bis Ende 2025 jedoch aktiv zu nutzen, um Wissen aufzubauen, Erfahrungen zu sammeln und offene Fragen zu klären. Auch müsse die Entwicklung in der EU verfolgt werden. «Nur so kann die erfolgreiche Qualitätsstrategie der Landwirtschaft erhalten werden», so Locher Benguerel.

Bundesrat möchte vorsichtiger agieren

Diese Stossrichtung deckt sich auch mit der Position der Landesregierung. Der Bundesrat stellt sich nicht prinzipiell gegen eine Lockerung des Moratoriums. Er möchte die erneute Verlängerung dazu nutzen, um das Wissen über die neuen gentechnischen Verfahren zu vertiefen – auch mit Blick auf die EU.

Genereller Widerstand kam von den Grünen. Die Partei möchte vorerst nicht am Status Quo rütteln. Die Ausklammerung der Genom-Editierung sei fahrlässig, kritisierte Meret Schneider (ZH). Dadurch wären auch «hochgradig umstrittene» Verfahren künftig erlaubt. Für Schneider ist der «radikale Meinungsumschwung» des Parlaments unverständlich. An der Ausgangslage habe sich nichts geändert.

National- und Ständerat haben das Moratorium bereits dreimal verlängert – zuletzt bis im Dezember 2021. In der Vernehmlassung war der Vorschlag bei Kantonen und anderen betroffenen Kreisen auf breite Zustimmung gestossen. Seit der Annahme einer entsprechenden Volksinitiative im Jahr 2005 gilt in der Schweiz ein Moratorium für die Verwendung von GVO in der Landwirtschaft. Diese dürfen lediglich zu Forschungszwecken angebaut werden.