Ukraine-Krieg
Zu grosse Ungleichheit: Geflüchtete sollen gleichmässig an Kantone zugeteilt werden

Aufgrund der privaten Unterbringung sind einige Kantone deutlich stärker belastet als andere. Ab Montag sollen die Geflüchteten deshalb wieder möglichst gleichmässig zugeteilt werden.

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Experten von Bund und Kantonen informierten am Donnerstag über die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge in der Schweiz.

Experten von Bund und Kantonen informierten am Donnerstag über die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge in der Schweiz.

Keystone

Beim Staatssekretariat für Migration (SEM) gehen täglich 700 bis 800 Gesuche von Geflüchteten aus der Ukraine ein. Ab dem kommenden Montag soll sich bei deren Zuteilung an die Kantone etwas ändern, wie Expertinnen des Bundes am Donnerstag vor den Medien ausführten. Viele Geflüchtete aus der Ukraine haben bisher eine Unterkunft bei Verwandten und Bekannten erhalten. Bisher wurden alle, die bei der Ankunft eine private Unterbringung hatten, dem jeweiligen Wohnkanton zugewiesen.

Diese Praxis hat dafür gesorgt, dass einige Kantone viel mehr Menschen aufgenommen haben, als der Verteilschlüssel nach Bevölkerungsgrösse dies vorsieht, wie David Keller, Leiter Krisenstab Asyl beim SEM, erklärte. So hätten gewisse Kantone bis zu 1000 Personen mehr aufgenommen, als sie gemäss Verteilschlüssel müssten. «Es ist wichtig, dass wir schrittweise zu einer proportionalen Verteilung zurückkehren, um die Last gleichwertig zu verteilen», sagte Keller.

Kein Anspruch mehr auf Unterbringung im gewünschten Kanton

Das SEM will bei der Zuteilung die Wünsche der Geflüchteten soweit möglich weiterhin berücksichtigen. So werde beispielsweise darauf geachtet, dass Kernfamilien zusammenbleiben können. Es gibt jedoch keinen Anspruch mehr darauf, im selben Kanton untergebracht zu werden, in dem entfernte Verwandte oder Bekannte leben. In diesen Fällen geht der Verteilschlüssel vor, wenn der besagte Kanton bereits stark belastet ist.

Die neue Praxis könne sowohl bei Geflüchteten als auch bei Gastfamilien zu Enttäuschungen führen, räumte die Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren, Gaby Szöllösy, ein. Es gelinge aber nicht, das Ungleichgewicht zwischen den Kantonen mit denjenigen Geflüchteten auszugleichen, die bei der Ankunft noch keine Privatunterkunft haben.

Besonders stark belastet seien derzeit Basel, Bern, das Tessin sowie die Stadt Zürich. Die Kantone seien «sehr glücklich» über die neue Praxis, führte Szöllösy weiter aus. Es sei wichtig, dass die Aufnahme der Geflüchteten von allen solidarisch getragen werde, da diese auch zu vermehrten Kosten und Aufwand bei der Sozialhilfe oder im Schulwesen führen.

500 Psychologinnen bieten Unterstützung an

Derzeit bereiten sich auch die Integrationsstellen der Kantone auf die Geflüchteten aus der Ukraine vor, wie Nina Gilgen, Präsidentin der Kantonalen Integrationsdelegierten, vor den Medien ausführte. Man sei dabei, die Kapazitäten aufzustocken und Angebote gegebenenfalls anzupassen. In einer ersten Phase steht laut Gilgen ein breites Angebot an Sprachkursen im Vordergrund.

«Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage in den kommenden Wochen stark steigen wird.» Sie wies jedoch auch darauf hin, dass die Angebote aufgrund von Personal und Infrastrukturen nicht beliebig schnell hochgefahren werden könnten. Es könne deshalb immer wieder zu Wartezeiten kommen.

Auch die psychologische Betreuung der Ukrainerinnen und Ukrainern ist ein wichtiges Thema. Die Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP) hat auf einen Aufruf 500 Unterstützungsangebote von Fachpersonen erhalten, wie sie in einer Mitteilung vom Donnerstag schreibt. In einem ersten Schritt arbeitet die FSP mit dem Verbund «Support for Torture Victimes» zusammen. Dieser Verbund umfasst fünf Behandlungszentren für Folter- und Kriegsopfer. Bei Bedarf werden die registrierten Psychologinnen und Psychologen direkt vom Ambulatorium kontaktiert. (agl)