Dänemark wollte Schweizer Panzer an die Ukraine weitergeben, der Bund bremst. Das stösst auf Kritik.
Erneut legt Bern sein Veto ein. Dänemark wollte Radfahrzeuge vom Typ Piranha III in die Ukraine liefern, die aus der Schweiz stammen. Doch das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) untersagt die Wiederausfuhr – so wie bereits zuvor bei zwei Gesuchen aus Deutschland, bei denen es um Munition ging. Doch Deutschland will den Entscheid nicht einfach hinnehmen, wie die SRF-«Rundschau» berichtet: Die Regierung hat den Bundesrat um ein Rückkommen auf das Schweizer Nein zum Munitionsexport gebeten. Dieser dürfte sich diese oder nächste Woche damit befassen.
Das Schweizer Veto entzweit – auch im Inland. Die einen sagen: Es ist richtig, dass sich die Schweiz als neutraler Staat raushält. Die anderen finden: Wenn die Schweiz die Weitergabe von Rüstungsmaterial blockiert, hilft sie indirekt dem Aggressor Russland. Gerade bei Mitte und FDP ist der Unmut gross. «Die Ukraine hält den Kopf hin für Europa», sagt Mitte-Politikerin Ida Glanzmann-Hunkeler. Daher sei es störend, wenn die Schweiz solche Kriegsmateriallieferungen aus anderen Ländern blockiere.
Das Seco stützt sich bei seinem Entscheid zum einen auf das Neutralitätsrecht, zum anderen auf das Kriegsmaterialgesetz. Dieses verbietet die Ausfuhr an Länder, die in einen bewaffneten Konflikt verwickelt sind. Glanzmann-Hunkeler sagt: «Leider hat das Parlament das Gesetz letztes Jahr noch verschärft.» Aus ihrer Sicht liegt der Ball nun bei der Regierung: «Der Bundesrat soll über die Bücher.» Er habe gewissen Spielraum, wie der Passus im Gesetz auszulegen sei.
Auch Mitte-Ständerat Pirmin Bischof sieht durchaus Spielraum. Der Jurist sagt: «Aus meiner Sicht ist der Bundesrat frei bei seinem Entscheid.» Das Neutralitätsrecht untersage eine Wiederausfuhr nicht. Und das Kriegsmaterialgesetz verbiete zwar den Export in Kriegsländer, nicht aber die Wiederausfuhr.
Das Seco sieht das anders. Manche Politiker denken denn auch über eine Gesetzesänderung nach. FDP-Ständerat Josef Dittli sagt: «Wenn ein demokratisches Land für sich Kriegsmaterial beschafft, dann muss es dieses später an ein anderes demokratisches Land weitergeben können, wenn es das will. Das muss man politisch möglich machen.» Und FDP-Nationalrätin Maja Riniker doppelt nach:
«Wir müssen über das Wiederausfuhrverbot diskutieren.»
Die FDP will sich nächste Woche mit dem Thema beschäftigen, auch die Einreichung einer Motion steht zur Diskussion.
Auch GLP-Sicherheitspolitiker Beat Flach findet, die Weitergabe von Kriegsmaterial an die Ukraine müsse zulässig sein. Er geht sogar noch einen Schritt weiter: In der «NZZ am Sonntag» hatte er dafür plädiert, direkte Waffenlieferungen an Demokratien zu liefern, die Opfer eines Angriffskriegs werden. Er sagt: «Neutral sein heisst aus meiner Sicht nicht, abseits zu stehen und zu warten, bis man womöglich als Vermittler an den Tisch gerufen wird.»
Noch sind das erst Ideen. Bis eine Gesetzesänderung Tatsache werden könnte, dauert es – und zudem bräuchte es eine Mehrheit. Widerstand kommt von zwei Seiten: Die SVP pocht auf eine strikte Auslegung der Neutralität. Und auch die SP winkt ab: Nationalrätin Priska Seiler Graf findet es richtig, dass das Seco die Weitergabe von Kriegsmaterial untersagt hat. Sie sagt:
«Auch wenn man mit der Ukraine sympathisiert, muss man sich an die geltenden Gesetze halten.»
Die Schweiz habe andere Möglichkeiten, um der Ukraine zu helfen: beispielsweise humanitär, mit guten Diensten oder beim Wiederaufbau. «Die Schweiz als neutraler Staat, als Hüterin der Genfer Konventionen und als Vermittlerin darf keine Waffen liefern, auch nicht indirekt.»
Umstritten ist auch, welche Schranken das Neutralitätsrecht setzt. Das Seco sagt: Wenn die Schweiz der Wiederausfuhr von Kriegsmaterial durch Dänemark zustimmen würde, müsste sie dies aufgrund des neutralitätsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot auch tun, wenn ein Land eine Anfrage für die Weitergabe von Kriegsmaterial an Russland stellen würde. Das sehen angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands allerdings nicht alle so.