Ukraine-Krieg
Bundesrätin Amherd: «Wir müssen uns selbst schützen können»

Verteidigungsministerin Viola Amherd liebäugelt langfristig mit einer Erhöhung des Armeebudgets um zwei Milliarden. Justizministerin Karin Keller-Sutter spricht derweil über die Flüchtlingssituation und wie die Schweiz helfen will.

Drucken
Über eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer sind bereits auf der Flucht. Die Schweiz will ihnen helfen.

Über eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer sind bereits auf der Flucht. Die Schweiz will ihnen helfen.

Keystone

Der Krieg in der Ukraine hat aufgerüttelt. «Es ist für viele ein Schock, dass der Krieg vor unserer Haustür tobt. Auch für mich», sagte Bundesrätin Karin Keller-Sutter am Sonntag in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag».

Persönlich habe sie keine Angst, aber sie leide mit den Menschen in der Ukraine. «Ich hoffe, ja bete, dass es keine weitere Eskalation gibt.» Sie hoffe, dass es zu einem Waffenstillstand komme oder zumindest die humanitären Korridore respektiert würden.

Justizministerin Karin Keller-Sutter.

Justizministerin Karin Keller-Sutter.

Anthony Anex / Keystone

Zudem will die Schweiz einen Beitrag leisten, um das Leid der ukrainischen Bevölkerung zu lindern – allen voran auch die Schweizer Bevölkerung. Sie Solidarität mit der Ukraine sei «riesig», bestätigt die Justizministerin. Aktuell bereitet sich die Schweiz auf eine grosse Fluchtbewegung aus der Ukraine vor. Die Notfallplanung zwischen Bund und Kantonen werde jetzt hochgefahren, bestätigte Keller-Sutter.

Private sollen mithelfen

Zudem hofft sie auf die Unterstützung aus der Bevölkerung. «Wir möchten es auch möglich machen, dass gerade Schutzsuchende, die einen temporären Schutz beanspruchen, bei ­Privaten untergebracht werden können», sagte sie. Dieses Bedürfnis bestehe in der Schweiz. «Diese Hilfe kann auch die Behörden entlasten.»

Wie viele Menschen tatsächlich in die Schweiz kommen, kann Karin Keller-Sutter nicht sagen. «Unsere Aufgabe ist es, uns vorzubereiten, komme, was wolle.» Bei einem Treffen mit ihren EU-Amtskollegen sei die Rede von fünf bis sieben Millionen Menschen gewesen, die aus der Ukraine flüchten könnten. Sie habe namens der Schweiz Unterstützung zugesichert.

Nato-Anschluss keine Option für Amherd

Die Verteidigungsministerin Viola Amherd liebäugelt derweil mit einer Erhöhung des Armeebudgets – wie das SVP und FDP gefordert hatten. «Längerfristig ist eine Aufstockung des Armeebudgets um zwei Milliarden Franken eine Option für mich», sagte sie gegenüber der «SonntagsZeitung». Das sei viel Geld und müsse sinnvoll eingesetzt werden. «Es bringt wenig, den Etat von heute auf morgen so viel zu erhöhen. Besser ist es, dies kontinuierlich zu tun.»

Verteidigungsministerin Viola Amherd.

Verteidigungsministerin Viola Amherd.

Alessandro Della Valle / Keystone

Die Schweiz müsse sich als souveränes, neutrales Land in erster Linie selbst schützen können. Die Schweiz könne sich nicht als Trittbrettfahrer auf andere verlassen. «Darum braucht es ja die Investitionen in die Luftwaffe und die Bodentruppen.»

Ein Anschluss an die Nato sei für sie «keine Option». Einerseits wäre das für die Schweiz teurer, da man als Nato-Land zwei Prozent des BIP in die Landesverteidigung investieren müsste. Andererseits wäre die Schweiz dann in einem Bündnis und müsste die Neutralität aufgeben. «Das sehe ich nicht.»

Amherd relativiert geforderten Initiativ-Stopp

Amherd äusserte sich auch zu ihrem Aufruf, die Kampfjet-Initiative zu stoppen. Dies stiess auf Linker Seite auf Unverständnis und wurde als «staatspolitisch unerhört» bezeichnet. Die Verteidigungsministerin versucht in der «SonntagsZeitung» zu relativieren: «Eine Aufforderung war es nicht», sagte sie. «Ich habe die Initianten eingeladen, den Rückzug der Initiative in Erwägung zu ziehen.»

Die Ausgangslage habe sich durch den Krieg in der Ukraine massiv verändert. Dem müsse man Rechnung tragen. «Wir sollten den Beschaffungsprozess nicht unnötig verzögern.» Sonst riskiere die Schweiz ab 2030 eine Sicherheitslücke, wenn die alten F/A-18 aus dem Betrieb genommen werden. (abi)