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Niederlage für Alain Berset in der Sozialkommission: Anders als bei der ersten Lesung lehnt sie den Kompromiss der Sozialpartner nun ab. Diesen favorisiert auch der Bundesrat. Zudem will die Kommission unter 50-Jährige bei der Vorsorge-Sanierung stärker zur Kasse bitten.
Zwar hat sich die Niederlage abgezeichnet. Doch nun ist sie Tatsache: In der zweiten Lesung hat die Sozialkommission des Nationalrats (SGK) den von den Sozialpartnern ausgehandelten Kompromiss zur Sanierung der Beruflichen Vorsorge (BVG) abgelehnt. Das teilen die Parlamentsdienste am Freitag mit. Kernelemente der Vorlage wären die Senkung des Mindestumwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent gewesen sowie eine austarierte Kompensation. Nachdem sich auch der Bundesrat hinter den Kompromiss der Sozialpartner gestellt hatte ist das Nein der SGK auch ein herber Rückschlag für Innenminister Alain Berset.
Für die Mehrheit der nationalrätlichen Sozialkommission ist der im Kompromiss enthaltene Rentenzuschlag nicht zielführend. Dies weil diese Kompensation nach dem Giesskannenprinzip funktioniere und zu fest in die Selbstständigkeit der Vorsorgeeinrichtungen eingreife. Mit 14 zu 10 Stimmen beantragt die SGK darum ein alternatives Kompensationsmodell. Mit diesem soll die Rente im und nahe beim BVG-Obligatorium gezielt verbessert werden. Laut Mitteilung rechnet die Kommission beim neuen Modell für den Bund lediglich mit Mehrkosten von 0,8 Milliarden Franken für die Übergangsgeneration. Im Kompromiss der Sozialpartner werden die Mehrausgaben auf 1,7 Milliarden geschätzt.
Eine starke Minderheit der Sozialkommission erachtet das neue Modell der Kommission denn auch als «nicht mehrheitsfähig», wie die Parlamentsdienste schreiben. Dies weil unter 50-Jährige und Versicherte mit hohen Einkommen zwar einen finanziellen Beitrag an die Kompensation leisten müssten. Allerdings würden sie selber nie etwas dafür erhalten.
Zudem hat die SGK entschieden, die Schwelle zum Eintritt in die Berufliche Vorsorge zu senken. Neu sollen Arbeitnehmende demnach bereits ab einem Jahreslohn von 12'548 Franken obligatorisch bei einem Arbeitgeber versichert sein müssen. Dies verhelfe Arbeitnehmenden mit Teilzeitstellen und tieferen Einkommen zu einer besseren Rente.
Wie die AHV sind auch die Renten der beruflichen Vorsorge seit längerem unter Druck. Grund dafür sind vorab die steigende Lebenserwartung und die tiefen Zinssätze. Nachdem die letzte Rentenreform 2017 an der Urne gescheitert war, unternahm der Bundesrat vergangenes Jahr einen neuen Versuch. Dabei setzt er auf einen Kompromiss der Sozialpartner. Dieser sei ausgewogen und erfülle das Hauptziel, das Rentenniveau zu erhalten und ein «würdiges Leben im Alter» zu ermöglichen, sagte Berset vergangenen November. Zudem werde die Situation für Frauen und Menschen mit tiefen Löhnen verbessert. Die Kosten der BVG-Reform bezifferte der Bundesrat damals auf 3 Milliarden Franken.
Kernelement der Reform ist die Senkung des Mindestsatzes, mit dem das angesparte Kapital in eine Rente umgewandelt wird. Dieser Umwandlungssatz soll von 6,8 auf 6 Prozent gesenkt werden. Angesichts der Alterung der Gesellschaft und den niedrigen Zinsen erachtet der Bundesrat den heutigen Satz als zu hoch.
Um tiefere Renten abzufedern – und um damit vor dem Stimmvolk bestehen zu können –, wollten Bundesrat und Sozialpartner einen Ausgleichsmechanismus einführen. Wer künftig eine Alters- und Invalidenrente der zweiten Säule bezieht, erhält lebenslang einen monatlichen Rentenzuschlag. Der Zuschlag beträgt für die ersten fünf Jahrgänge der Neurentner nach Inkrafttreten monatlich 200 Franken, für die weiteren fünf Jahrgänge 150 Franken und für die letzten fünf Jahrgänge 100 Franken. Nach 15 Jahren legt der Bundesrat den Betrag jährlich neu fest.
Weiter schlug der Bundesrat eine Halbierung des Koordinationsabzuges von heute 24'885 auf 12'443 Franken vor. Dadurch wird gemäss Bundesrat ein höherer Lohn versichert. Versicherte mit kleineren Löhnen – darunter sind vor allem Frauen und Teilzeitbeschäftigte – erhielten so eine bessere soziale Absicherung gegen Alter und Invalidität. Der bundesrätliche Entwurf sieht zudem vor, die Beitragsunterschiede zwischen jüngeren und älteren Versicherten zu verringern.