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Bei Polizei-Einsätzen in Brasilien werden gemäss Terre des Hommes auch Waffen aus der Schweiz eingesetzt. Dabei komme es häufig zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen. Deshalb fordert das Kinderhilfswerk einen Stopp der Kriegsmaterialausfuhr.
Brasilien befindet sich seit Jahren in einer Gewaltspirale, in der Polizei und Militär massgebliche Akteure sind. Welche dramatischen Ausmasse diese annimmt, zeigt eine am Dienstag veröffentlichte gemeinsame Studie von Terre des Hommes Schweiz und Deutschland.
Im Jahr 2019 kamen in Brasilien demnach fast 45'000 Menschen gewaltsam ums Leben. 13 Prozent dieser Todesfälle - oder 6'375 Menschen - gingen dabei auf Polizeigewalt zurück. «Vor allem junge Menschen sind extrem stark von der bewaffneten Gewalt betroffen», sagte Andrea Zellhuber, Themenverantwortliche Gewaltprävention bei Terre des Hommes, an einer Online-Medienkonferenz. Zudem sei ein Grossteil der Opfer in den Armenvierteln in den Favelas wohnhaft und schwarze Afrobrasilianer.
Für Andrea Zellhuber ist dabei klar: «Ein zentraler Faktor für die Gewalt in Brasilien ist der leichte Zugang zu Waffen.» Terre des Hommes kritisiert denn auch, dass Schweizer Rüstungsfirmen im letzten Jahr Kriegsmaterial im Wert von über 30 Millionen Franken nach Brasilien auslieferten.
Das Problem laut Zellhuber ist, dass es hierbei zur Veruntreuung kommt. Eine grosse Zahl von Waffen und Munition verschwinde aus den offiziellen Beständen und werde dann für Verbrechen und Massaker verwendet. Ralf Willinger von Terre des Hommes Deutschland kritisiert: «Es gibt keinerlei Kontrolle über den Endverbleib der gelieferten Rüstungsgüter.» Zwar mache die Schweiz im Gegensatz zu Deutschland punktuelle Kontrollen, doch diese reichten nicht aus.
Basierend auf der am Dienstag präsentierten Studie fordert Andrea Zellhuber von Terre des Hommes: «Es braucht dringend strengere Regeln für die Kriegsmaterialausfuhr, wie es die Korrektur-Initiative verlangt.» Letztere ist 2018 von einer breiten Allianz lanciert worden. Im März präsentierte der Bundesrat schliesslich einen griffigen indirekten Gegenvorschlag, der dem Anliegen der Initianten weit entgegenkommt.
Terre des Hommes ist insbesondere ob der populistischen Rhetorik von Jair Bolsonaro beunruhigt, der seit Brasilien seit Januar 2019 als Präsident regiert. So rufe der Rechtspopulist und Ex-Militär auch mal dazu auf, Verbrecher einfach «abzuknallen».
Hinzu kommt, dass nach Angaben des Kinderhilfswerks die brasilianische Bundesregierung allein 2019 und 2020 mehr als 20 Dekrete und Verordnungen zur Lockerung des kontrollierten Zugangs zu Waffen und Munition erlassen hat. Folglich befänden sich nebst den Waffen, die im Besitz von Militär und Polizei sind, etwa 1,1 Millionen Waffen in den Händen von Zivilpersonen. «Zusätzlich gibt es noch einen grossen illegalen Waffenmarkt», fügt Ralf Willinger hinzu.