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Lücke bei der Impfstoffbeschaffung: Nicht alle Zahlungen und Verträge waren durch Kredite gedeckt. Das zeigt eine erste Überprüfung des Bundes. Nun soll eine Administrativuntersuchung Klarheit schaffen. Die Finanzkommission reagiert «bestürzt».
Die Impfstoffbeschaffung des Bundes sorgte vergangene Woche für Verwirrung im Ständerat. Einige Parlamentarier wollten die Zahl der neu zu kaufenden Impfdosen reduzieren und den vom Bundesrat veranschlagten Kredit um 246 Millionen Franken senken. Doch ob dies überhaupt noch möglich ist, war plötzlich unklar. Der Grund: Der Bundesrat hat bereits Verträge mit Herstellern unterzeichnet und ist damit finanzielle Verpflichtungen eingegangen.
Über die Pfingsttage hat ein Team aus dem Verteidigungs-, Finanz-und dem Innendepartement nun alle Kredite und Verträge überprüft, um dem Parlament die notwendigen Informationen bereitzustellen. Das teilte das Innendepartement am Mittwoch mit. Die erste Überprüfung ergab: Bis auf zwei Ausnahmen seien alle Zahlungen und alle Verträge mit dem Impfstoffherstellern durch Kredite gedeckt gewesen, heisst es weiter.
Dabei geht es um einen bereits bekannten Ausnahmefall aus dem Jahr 2020. Bei einem zweiten Fall von Anfang Mai 2021 war beim Abschluss des Vertrags der Verpflichtungskredit vom Parlament noch nicht gesprochen, wie es weiter heisst. Ein noch eingefügter Kreditvorbehalt galt lediglich bis Ende Mai, das Parlament erteilte die notwendige Bewilligung jedoch erst am 7. Juni.
Nun soll eine bereits von Gesundheitsminister Alain Berset eingeleitete Administrativuntersuchung Klarheit schaffen. Sie soll klären, ob beim Fall von Anfang Mai ein anderes Vorgehen möglich gewesen wäre. Auch soll sie prüfen, ob der Bundesrat rechtskonform gehandelt hatte, als er im vergangenen Dezember die vertraglich vereinbarten Optionen für zusätzlich 14 Millionen Impfstoffdosen für das Jahr 2022 auslöste – obwohl nicht sicher war, dass die Mittel dafür durch den Voranschlagskredit gedeckt waren. Daher entschied die Regierung, die allenfalls notwendigen Mittel per Nachtrag zu beantragen.
Zudem soll die Untersuchung zeigen, «inwiefern allenfalls beim Abschluss von Verträgen, der Auslösung von Bestellungen oder der Festsetzung der Voranschlagskredite Informationspflichten nicht oder nicht genügend wahrgenommen wurden».
Über Pfingsten wurde auch der nachträgliche Mittelbedarf für das laufende Jahr neu berechnet: Neu beträgt er 234,3 statt 314 Millionen Franken, wie es weiter heisst. Unter anderem wurde versehentlich eine Reservationsgebühr doppelt berechnet und die Logistikkosten fallen tiefer aus. Auch braucht es weniger Begleitmaterial und der Bezug von Impfdosen, die in kleineren Einheiten abgepackt werden, wurde reduziert.
Berset präsentierte die ersten Resultate der Überprüfung am Morgen der zuständigen Finanzkommission des Nationalrats. Kommissionsvizepräsidentin Sarah Wyss (SP/BS) äusserte danach vor den Medien Kritik, wie Radio SRF berichtete. «Die Finanzkommission ist ein Stück weit bestürzt und bedauert es massiv, dass es zu Versäumnissen gekommen ist», sagte sie.
Die Ungereimtheiten bei den Impfstoffkrediten bewegten am Mittwochnachmittag auch im Nationalrat die Gemüter. Mehrere Redner zeigten ihren Unmut über die Versäumnisse. Trotzdem folgte die grosse Kammer dem Bundesrat und genehmigte den angepassten Nachtragskredit für das laufende Jahr in Höhe von 234,3 Millionen Franken wie auch den ursprünglich vorgesehenen Verpflichtungskredit für 2023 über 780 Millionen Franken.
Die SVP forderte die Kürzung des Nachtragskredits auf 68 Millionen Franken, so wie das der Ständerat letzte Woche beschlossen hatte. «Wir dürfen hier nicht klein beigeben», betonte Sandra Sollberger (BL). Ihr Schwyzer Parteikollege Pirmin Schwander forderte einen generellen «Marschhalt». Auch der Bundesrat wäre gut beraten, wenn er jetzt über die Bücher ginge. Es sei auch sein Problem, wenn er von der Verwaltung mit «schludrigen Zahlen» bedient werde.
Finanzminister Ueli Maurer räumte ein, dass bei der Impfstoffbeschaffung «nicht alles optimal gelaufen» sei. Deshalb würden die Ungereimtheiten nun untersucht. Die Resultate lägen im August vor. Keine Option sei es, den Verpflichtungskredit zu kürzen. Davon werde auch die Impfstrategie tangiert. Doch angesichts der unsicheren Entwicklung der Pandemie sei Vorsicht die «Mutter der Porzellankiste», schloss Maurer. Damit geht das Geschäft zurück an den Ständerat. (abi/gb/rwa)