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Gottfried Locher, der Präsident der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz, hofft, dass die Kirchen bald wieder ihre Türen öffnen können. Die Solidarität für Alte und Pflegende erfreut ihn, doch er fragt sich auch, ob sie nach der Krise auch anhält.
(dpo) Es sei richtig gewesen, dass der Bundesrat wegen des Coronavirus die Kirchen geschlossen hat. Aber Kirchen seien auch Kraftorte, sagt Gottfried Locher im Interview mit der «NZZ am Sonntag», und Kraftorte bräuchten wir jetzt erst recht: «Ich hoffe, dass der Bundesrat die Kirchen so schnell wie möglich wieder öffnet, natürlich unter Einhaltung der Abstandsregeln. Das ginge vielerorts ohne Probleme».
Auf die Frage, ob Gott uns mit Corona bestrafe, entgegnet der Theologe, diese Frage könne man sich bei allem Schlimmen, was auf der Welt geschieht, stellen. Got habe der Welt schon immer schwere Prüfungen auferlegt. Aber erst dann, wenn sie uns direkt betreffen, würden wir die Frage nach dem Warum stellen.
Zudem sei das Böse nur die halbe Wahrheit, so Locher. Man könne sich stattdessen auch Fragen, wieso wir viel häufiger beklagen, was uns plagt, als dass wir verdanken, was uns erfreut. Von Kranken könne man etwa lernen Positiv zu denken, den Blick auf das Schöne zu lenken, obwohl dieses Schöne oft nur sehr beschränkt vorhanden ist.
Der Präsident der Evangelisch-reformierten Kirche freut sich ob der Solidarität für die Alten, Kranken und Pflegenden. Doch er fragt sich auch, ob die Solidarität nach der Krise anhält: «In der Hektik des Alltags vergessen wir rasch. Das gilt sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft.»
Dank den sozialen Medien und dem Internet erreichen die Kirchen ihre Mitgliederinnen und Mitglieder auch in der Coronakrise. Die Kirche erlebe gerade einen Digitalisierungsschub, sagt Gottfried Locher. Aber man könne nicht alles ins Internet verschieben. Das Abendmahl sei zum Beispiel sehr sinnlich und so etwas wie die Antithese zur Virtualisierung.
Der reformierte Theologe blickt trotz der Coronakrise mit Hoffnung in die Zukunft. Ein Schatten habe sich auf uns gelegt, doch der bleibe nicht für immer: «Der Tod hat nicht das letzte Wort. Corona auch nicht.»