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Energieministerin Simonetta Sommaruga hat bei der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) interveniert: Deren russischer Vizedirektor soll bei Aufgaben mit Bezug zu den Kriegsparteien in den Ausstand treten und keine sicherheitsrelevanten Informationen erhalten.
Greenpeace ist besorgt über die Sicherheit der Atomkraftwerke in der Ukraine. Grund ist der derzeitige stellvertretende Generaldirektor der IAEA, der Russe Mikhail Chudakov. Dieser war lange in der Führung der staatlichen Atomenergiegesellschaft der Russischen Föderation (Rosatom) tätig. Laut Greenpeace spielten Rosatom-Leute bei der russischen Besetzung der Atomanlage in Saporischschja eine wichtige Rolle.
Dass nun ausgerechnet Chudakov in die Entscheidungsfindung oder beim Informationsaustausch involviert sein könnte, wirft für Greenpeace Fragen auf. Denn dies untergrabe «unmittelbar die Effektivität und Effizienz der IAEA, insbesondere in ihren Beziehungen zu den ukrainischen Nuklearbehören». Das schreibt die Organisation in einem Brief an Bundesrätin Simonetta Sommaruga von Mitte März. Sie fordert darin die Schweiz auf, sich unter anderem für die «sofortige Suspendierung» von Chudakov einzusetzen.
In ihrer Antwort an Greenpeace von Anfang April teilt die Bundesrätin die Sorgen, «dass die militärischen Aktivitäten der Russischen Föderation auch eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit der ukrainischen Nuklearanlagen darstellen können». Ein nuklearer Unfall oder Zwischenfall würde nicht nur die ukrainische Bevölkerung gefährden, sondern hätte auch Auswirkungen auf die Nachbarländer und die internationale Gemeinschaft – und dies auch für künftige Generationen. Beide Briefe, über die auch die Tamedia-Titel am Donnerstag berichteten, liegen CH Media vor.
Zwar sei Mikhail Chudakov in seiner Funktion als IAEA-Vizedirektor ein internationaler Beamter und als solcher dazu verpflichtet, die Interessen der IAEA zu wahren – ungeachtet seiner russischen Nationalität und seiner früheren Tätigkeit für Rosatom. Allerdings habe auch die Schweiz «ein grosses Interesse daran, dass die Sicherheitsinformationen zwischen den ukrainischen Kernkraftwerbetreibern SNRIU, der ukrainischen Regierung und der IAEA vertrauensbasiert und ohne jegliche Möglichkeit einer politischen Einflussnahme ausgetauscht werden können».
Sommaruga hat daher bei IAEA-Generaldirektor Rafael Mariano Grossi am 1. April mittels Brief interveniert. Sie bat darum, dafür zu sorgen, dass «zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der IAEA» keine entsprechenden Informationen an Mikhail Chudakov weitergeleitet werden. Auch soll er bei Aufgaben mit Bezug zu den Kriegsparteien in den Ausstand treten.
Die IAEA hat auf das Schreiben reagiert – allerdings ohne zu Handeln. Grossi betont in seiner Antwort, dass alle Mitarbeitenden seiner Organisation allein seiner Autorität unterstünden. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nähmen sie weder Weisungen einer Regierung noch einer Behörde ausserhalb der IAEA entgegen.
Auch versuche er mit seinem Team unentwegt sicherzustellen, dass die IAEA ihr Mandat zur Wahrung der nuklearen Sicherheit in der Ukraine erfülle. Das Eidgenössische Energiedepartement (Uvek) bestätigt auf Anfrage von CH Media den Inhalt des Briefes.
Gemäss Uvek reagiert die Bundesrätin vorerst nicht weiter auf die Absage von Grossi. Die Bundesrätin habe mit ihrem Schreiben das Thema an oberster Stelle platziert und die Behörde für die wichtige Thematik sensibilisiert, teilte das Energiedepartement mit. Nun lasse sie es wirken.
Wie Sommaruga im Brief an Greenpeace weiter schreibt, werde sich die Schweiz weiterhin dafür einsetzen, dass die Glaubwürdigkeit der IAEA mit oberster Priorität verfolgt wird. Das will sie etwa in der alljährlich stattfinden Generalkonferenz und im IAEA-Gouverneursrat tun. Auch bilaterale Kontakte mit dem Generaldirektor und dem Führungspersonal will sie dafür nutzen.
Sommarugas Schreiben ist bereits die zweite bekannt gewordene Intervention der Regierung bezüglich des Ukraine-Kriegs: Sportministerin Viola Amherd hatte Mitte April beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) gefordert, russische Funktionäre aus internationalen Sportverbänden auszuschliessen.