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Der Nationalrat ist am Mittwoch in eine grosse Klimadebatte gestartet. Der Rat beschäftigt sich mit der Gletscher-Initiative. Das Anliegen dürfte einen schwierigen Stand haben - besser sieht es für den Gegenvorschlag aus.
Die Gletscher-Initiative dürfte im Nationalrat keine Mehrheit finden. Bedingungslosen Support gab es zum Start der Debatte am Mittwoch einzig von den Grünen. Diese wollte nur die Initiative annehmen und den direkten Gegenvorschlag ablehnen. Delphine Klopfenstein Broggini (Grüne/TG) will sogar noch mehr aufs Gaspedal drücken als die Initianten. Sie stellte den Antrag, dass das Ziel Netto-Null nicht bis 2050, sondern schon 2040 erreicht werden soll. Dies sei nichts weniger als «lebenswichtig», so Klopfenstein. Die Schweiz müsse nicht nur das Minimum machen, sondern vorangehen und ein Zeichen setzen.
Nadine Masshardt (SP/BE) warnte davor, dass das kurze Zeitfenster genutzt werden müsse, um die Klimakatastrophe noch abzuwenden. «Wir müssen nun entschieden vorwärtsmachen», sagte sie. Die Lösungsansätze seien nicht sonderlich neu und würden schon länger auf dem Tisch liegen. Ihr Parteikollege Baptiste Hurni (NE) kritisierte den Gegenentwurf als «langsam» und «anspruchslos», trotzdem sicherte die SP auch dort die Unterstützung zu – wenn zumindest noch einige Verschärfungen eingeflochten werden.
Die Initiative will Netto-Null bis im Jahr 2050. Und dieses Ziel soll in der Verfassung festgeschrieben werden. Sprich: Bis dann sollen unter dem Strich keine Treibhausgase mehr produziert werden. Zudem fordern die Initianten ab diesem Zeitpunkt ein Verbot für fossile Energien wie Heizöl, Kohle oder Benzin und einen «mindestens» linearen Absenkpfad. Der Gegenvorschlag teilt diese Ziele – zumindest teilweise: Einen Verzicht auf fossile Energien sieht er nicht vor und geht es nach der Kommission wird auch der Absenkpfad gestrichen.
Wie markig die Klimadebatte geführt wird, machte Roger Nordmann (SP/VD) klar. Er schlug den Bogen vom Ukraine-Konflikt zu der Gletscher-Initiative. Es gehe nun auch darum nicht nur Erklärungen zu verabschieden, sondern auch die Finanzierung der russischen Kriegsmaschinerie zu stoppen. Er stellte einen Antrag, dass der Bund ein Anreizprogramm in der Höhe von jährlich einer halben Milliarde Franken lanciert, damit Gas-, Öl- und Elektro-Heizungen ersetzt werden. Jede wegfallende Gasheizung würde am Ende das Putin-Portemonnaie treffen, ist Nordmann überzeugt.
Christian Imark (SVP/SO) ist bezüglich der Wirkung der Initiative konträrer Meinung. Für ihn ist das Vorhaben Netto-Null mit «erheblichen Risiken» verbunden. Schon heute zeige sich, dass die Energieversorgung in der Schweiz nicht so schnell ohne fossile Energie funktioniere. Er sprach von «linker Energiepolitik», die «krachend gescheitert» sei. Die Ziele der Initiative seien «unrealistisch und illusorisch».
Matthias Jauslin (FDP/AG) erinnerte die SVP in seinem Fraktionsvotum an die Verantwortung für künftige Generationen. Weder sture Verbotspolitik noch Nichtstun sei eine Option, so Jauslin. Auch in seiner Partei gebe es vereinzelt Zustimmung für die Initiative, einig sind sich die Liberalen dagegen bei der Unterstützung des Gegenvorschlags. Die SVP will auch diesen nicht.
Auch die Mitte will mehrheitlich nichts von der Initiative wissen, wie Priska Wismer-Felder (LU) ausführte. Unterstützung findet dagegen der Gegenvorschlag. Die Mitte stört sich vor allem am Verbot der fossilen Energieträger. Dieses gehe zu weit und diesbezüglich gebe es noch zahlreiche unbekannte Faktoren.
Gleichzeitig arbeitet die Kommission aber selber an einem indirekten Gegenvorschlag. Den Mitgliedern der Umweltkommission schwebt eine Änderung auf Gesetzes- statt Verfassungsstufe vor. Diese wäre deutlich schneller umsetzbar und bräuchte im Falle einer Volksabstimmung auch kein Ständemehr. Dieser Gegenvorschlag kommt aber frühestens in der Sommersession ins Parlament.
Damit liebäugeln auch die Grünliberalen, wie Martin Bäumle (ZH) ausführte. Über den Gesetzesweg könnten Massnahmen deutlich rascher ergriffen werden. «Und eigentlich haben wir schlicht keine Zeit», so Bäumle. Da dieser Gegenvorschlag der Kommission aber noch nicht stehe, unterstützen auch die Grünliberalen jenen Gegenvorschlag des Bundesrats. Um der Kommission genügend Zeit einzuräumen, soll zudem die Behandlungsfrist der Initiative verlängert werden.
Bis etwas entschieden wird, dauert es noch eine Weile. Knapp 80 Rednerinnen und Redner wollen sich zur Vorlage äussern, bevor am Donnerstag dann abgestimmt wird. Insgesamt rechnet die Nationalratspräsidentin mit einer achtstündigen Debatte.