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Die Krise in Afghanistan beschäftigt die Politik. Der Nationalrat hat am Donnerstag beim Bundesrat nachgehakt, ob die Schweiz mehr Flüchtlinge aufnimmt. Dieser drückt sich um eine klare Position.
Die Lage in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban bereitet den Parteien Sorgen. Sie haben daher vom Bundesrat Auskunft eingefordert und nutzten am Donnerstag die Gelegenheit, ihre Ansichten und Forderungen kundzutun – und auch zu provozieren. Grund für die Sonderdebatte waren dringliche Interpellationen aller Fraktionen.
In der Beurteilung gingen die Meinungen weit auseinander. Während Ada Mara (SP/VD) der Meinung war, die Schweiz dürfe nicht einfach tatenlos zuschauen und abwarten, fand Kurt Fluri (FDP/SO), die Schweiz habe sich bislang richtig verhalten. Roger Köppel (SVP/ZH) machte sich derweil Sorgen, dass die Schweiz nach 2015 «erneut in ein Asyl-Chaos schlittern könnte» und lehnte Flüchtlingskontingente für Afghanistan ab. Tiana Angelina Moser (GLP/ZH) sprach sich hingegen für ein höheres Resettlement-Kontingent und mehr Geld aus.
Balthasar Glättli (Grüne/ZH) nervte sich derweil über die «humanitäre Scharade», die der Bundesrat in seinen Antworten mache. Elisabeth Schneider-Schneiter (Die Mitte/BL) warnte vor einer überstürzten Wiederaufnahme der Programme der internationalen Zusammenarbeit – vielmehr sollten die Mittel kurzfristig für die humanitäre Hilfe eingesetzt werden.
Der Bundesrat zeigte in seinen schriftlichen Antworten auf, was er bislang geleistet hat und noch beitragen will, um die Situation zu verbessern. So möchte er zusätzliche Beiträge in der Höhe von 33 Millionen Franken einsetzen. Auch ordne das Staatssekretariat für Migration (SEM) keine Wegweisungsvollzüge nach Afghanistan mehr an. Visaerleichterungen für Afghaninnen und Afghanen mit Angehörigen in der Schweiz sind hingegen momentan nicht vorgesehen.
Auch die Aufnahme von zusätzlichen Flüchtlingen war ein Thema. «Der Bundesrat stellt bislang keine grösseren Fluchtbewegungen aus Afghanistan in die Nachbarländer fest», sagte Bundesrätin Karin Keller-Sutter im Nationalrat. Im laufenden Resettlement-Programm können bis zu 1600 Flüchtlinge aufgenommen werden. Dabei seien bereits afghanische Flüchtlinge aus der Türkei berücksichtigt worden. Für die nächsten beiden Jahre hat der Bundesrat ein Kontingent von bis zu 1900 Flüchtlingen beschlossen – darunter 300 Personen aus dem laufenden Kontingent, die aufgrund der Corona-Pandemie nicht in die Schweiz reisen konnten.
Ob allenfalls auch mehr Flüchtlinge aus Afghanistan aufgenommen werden – wie das von verschiedenen Seiten gefordert wird – lässt der Bundesrat offen. Die Schweiz werde eine allfällige Beteiligung an einer international koordinierten Aufnahmeaktion prüfen, schreibt er in seiner Antwort.
Allerdings findet Anfang Oktober eine von der EU-Kommission organisierte Konferenz statt. Gemäss Bundesrat dürfte das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) dort konkrete neue Bedürfnisse kommunizieren. Bereits im Vorfeld versandte das UNHCR ein Schreiben und forderte die Erhöhung des Kontingents – allerdings für Menschen aus Pakistan und Iran, wie die Bundesrätin betonte.
Die Schweiz werde sich an der Diskussion beteiligen und ein Ersuchen des UNHCR zusammen mit den Kantonen prüfen, sagte Keller-Sutter. «Entscheidend, damit sich die Schweiz beteiligt, ist der dringende humanitäre Bedarf, der sich aufgrund der aktuellen Situation ergibt.»