Höchste richter
Wahl des Präsidiums des Bundesgerichts wird von Misstönen begleitet

Das höchste Gericht in Lausanne wird die nächsten zwei Jahre von der CVP-Bundesrichterin Martha Niquille präsidiert. Ihr Vize wird Yves Donzallaz. Die Bundesversammlung wählte die beiden Richter – gegen den Willen der SVP.

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Martha Niquille soll das Erbe von Ulrich Meyer als Präsident des Bundesgerichts antreten.

Martha Niquille soll das Erbe von Ulrich Meyer als Präsident des Bundesgerichts antreten.

Keystone

(rwa) Auf den ersten Blick ist der Wahlvorschlag ideal. Als neue Präsidentin schlägt die Gerichtskommission Martha Niquille (CVP) vor. Das ist von historischer Bedeutung: Niquille wäre die erste Frau an der Spitze des höchsten Gerichts seit der Gründung im Jahr 1848. Und als neuer Vizepräsident ist Yves Donzallaz (SVP) vorgesehen. Diese Nomination ist ein politisches Zeichen: Donzallaz steht für Unabhängigkeit, weil er einen Machtkampf gegen seine eigene Partei gewonnen hat.

Die Bundesversammlung hat am Mittwoch die beiden Richter für die Amtsperiode 2021 bis 2022 gewählt – wenn auch glanzlos. Niquille erzielte 173 von 174 gültigen Stimmen, Donzallaz 160 von 161 Stimmen. Bei beiden Wahlen legten mehr als 50 Parlamentarier leer ein.

Lange Vorgeschichte

Dieses Ergebnis kam nicht überraschend. Bereits in der Gerichtskommission mussten sich die beiden Kandidaten kritische Fragen gefallen lassen, weil sie als Mitglieder der Verwaltungskommission des Bundesgerichts diesen Frühling an der Untersuchung der internen Probleme am Bundesstrafgericht beteiligt waren.

Konkret geht es um den abtretenden Präsidenten Ulrich Meyer. Der SP-Mann war im Verlauf des Jahres gleich mehrfach in Kritik geraten. Im Juni wurde publik, dass er sich sexistisch über eine Kollegin des Bundesstrafgerichts geäussert hat. Die Geschäftsprüfungskommission des Parlaments rügte die Verwaltungskommission dafür, mit ihrem Untersuchungsbericht grobe Fehler begangen zu haben. Demnach habe Meyers Gremium das rechtliche Gehör der Bundesstrafrichter verletzt, die es im Bericht namentlich nennt und kritisiert. Auch inhaltlich sei der Bericht nicht in Ordnung.

Vertrauen in Justiz angeschlagen

Trotz dieser Vorkommnisse stufte die Kommission Niquille und Donzallaz als geeignet für das Amt ein, wie ihr Präsident und Ständerat Andrea Caroni (FDP/AR) am Mittwoch erklärte. Beide hätten ihr Verhalten erklären können und seien engagiert, die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten zu verbessern. Niquille habe sich auch ausdrücklich für die Tonalität im Bericht entschuldigt.

Die SVP-Fraktion forderte die Rückweisung des Wahlvorschlags an die Gerichtskommission. Das Vertrauen der Bürger in die Justiz sei bedenklich angeschlagen, sagte der Schwyzer Nationalrat Pirmin Schwander. «In der Judikative muss wieder Ruhe einkehren.» Daher müssten Personen gewählt werden, die unbelastet von den Querelen seien. Die Bundesversammlung lehnte den Antrag mit 168 zu 54 Stimmen ab.